Leg dich nicht mit Flusspferden an!

Leg dich nicht mit Flusspferden an!

Die Donnerstags-Gesellschaft Oberuzwil hat es mit viel Aufwand trotz Corona-Vorschriften wie Abstandhalten und vor allem Reise-Einschränkungen möglich gemacht: 50 Personen kamen in den Genuss einer wunderbaren Reise durch Namibia. Die neuen Vorgaben des Bundes haben dem Vorstand zuvor jedoch einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht, waren doch ursprünglich 90 Anmeldungen eingegangen. So hiess es, 40 Personen wieder auszuladen, dazu ein noch strikteres Schutzkonzept aufzugleisen. Zusätzlich galt auch im Saal eine Maskenpflicht. Wer sich jedoch früh genug angemeldet hatte, konnte 100 Minuten lang all diese Vorgaben weitgehend vergessen und in eine ganz andere Welt eintauchen.

Donnerstags-Gesellschaft Oberuzwil

Ueli Gubler begrüsste als Anlasspate.

Fotografierender Weltenbummler

Der in Oberuzwil bereits zum sechsten Mal angereiste Weltenbummler und Reisefotograf Corrado Filipponi zeigte in seiner wie immer sehr eindrücklichen Filmschau ein Land, welches bei Touristen aus der Schweiz zu einem beliebten Reiseziel gehört. Filipponi hat ein Auge für ganz besondere Momente, zudem ein ausgezeichnetes Händchen für effektvolle Bilder, die man nicht in jedem Reiseprospekt findet. Und immer ist auch mehr als nur eine kleine Prise Abenteuerlust dabei, die der Zuhörerschaft schon auch einmal einen Schauer über den Rücken treiben kann.

Die Homepage des Referenten und Fotografen Corrado Filipponi Dia-Multivision

Spannende Vortragsweise

Mit einer Karte des Kontinents Afrika begann die Reise. Interessantes Detail dabei: Wenn man von der Schweiz aus der Zeitlinie entlang fliegt, gibt es trotz 12-Stundenflug keinen Jetlag. Eindrücklich sah man auf dieser Karte, wie wenig besiedelt grosse Teile des Kontinents sind. Dann schwenkte das Bild um zu einer Karte Namibias, kommentiert vom Referenten. So konnte man sich auch geografisch orientieren. Immer wieder gab Filipponi im Laufe seiner Ausführungen dem Publikum Zeit zum Schauen, während zum Land passende, in dezenter Lautstärke unterlegte Musik nicht nur die Augen, sondern auch die Ohren erfreute.

Teilweise sehr dünn besiedelter Kontinent Afrika. Namibia liegt ganz im Südwesten.

Atemberaubender Sternenhimmel

Corrado Filipponi schwärmte von der grossen Dunkelheit, die den Sternenhimmel in seiner ganzen Schönheit erstrahlen lasse. Die Nächte sind in Namibia allerdings sehr kalt, zudem ist es nicht unbedingt ratsam, einfach so im Freien zu schlafen, gibt es hier doch das eine oder andere herumstreifende Tier auf der Suche nach Beute… Die Spitzkoppe ist eines der Wahrzeichen Namibias, wird auch oft als Matterhorn Namibias bezeichnet. Der Berg ist 1‘728 Meter hoch mit teilweise recht bizarren Felsformationen. Hier kann man deshalb ganz wunderbar klettern…

Riesige Dünen

In Namibia liegt die älteste Wüste der Welt. Sie heisst Namib und hat dem Land den Namen gegeben. Hier sind auch die höchsten Dünen der Welt zu finden. Nur knapp 2, 5 Millionen Menschen leben in diesem rund 20 x so grossen Land wie die Schweiz. So findet der naturbegeisterte Gast hier beispielsweise Camping-Plätze, auf denen das nächste Zelt oftmals mindestens einen Kilometer entfernt steht. Allerdings ist auch hier beim Campieren immer Vorsicht geboten.

A propos Sand: In Kolmannskuppe, einer ehemaligen Diamantengräberstadt, kann man sich vor wie in einem Geisterfilm wähnen. Früher von Glücksrittern überrannt und damit der Stadt grossen Wohlstand beschert, hörte der Boom so schnell auf, wie er begonnen hatte. Die Stadt wurde nach und nach verlassen. Unterdessen haben Unmengen von Sand den Weg ins Innere der zum Teil recht herrschaftlichen Häuser gefunden, ein Zerfall auf Raten, denn das Klima ist hier doch sehr trocken. Sogar Bäume stehen hier so lange, bis sie versteinern.

Farben bestimmen die Landschaft

Auf vielen Bildern konnte man sich an der Farbenpracht von Sanddünen oder Steinformationen kaum sattsehen. So viele Formen, so viele Ockertöne, dazu vom Wind ständig neu formierte Sandauftürmungen – eine wahre Explosion von Farbeindrücken. Ganz besonders imposant sind die vielen hohen Sanddünen. Weltberühmt ist vor allem die Nummer 45. Nummeriert werden diese Sandberge vom Meer her gesehen. Filipponi schilderte anschaulich, wo überall in der Kleidung und am Körper man Sand finde, wenn man so eine Düne erklettert habe und danach hinuntergerannt sei.

Man kann aber auch per Ski auf den Dünen heruntersausen, wie das Henrik May beweist, der den Weltrekord im Sanddünenfahren – 92 km/h – innehat und damit im Guinessbuch der Rekorde verewigt ist. Er hat mit diesem Sportangebot ein gutgehendes Geschäft aufgebaut. Skilifte auf die Dünen hat man bei Filipponis Bildern allerdings keine gesehen. Die Abfahrt ist da sicher doppelt willkommen nach dem schweisstreibenden Aufstieg… Skifahren auf den Dünen

Henrik May, schnellster Sanddünen-Skifahrer der Welt.

Schnurgerade Strassen

Eindrücklich waren die Bilder über die schnurgeraden Strassen, meist Sandpisten, aber doch auch asphaltierte Strassen. Bauarbeiter sind laut Filipponi in diesem Staat sehr gut bezahlte Arbeitskräfte. Das Land lebt zu einem Teil vom Tourismus, deshalb sind gute Verkehrswege wichtig. Doch wenn man etwas abseits der grossen Touristenrouten fährt, kommt man schnell auf Wege, die für europäische Limousinen ein Alptraum wären. Bei manchen Aufnahmen waren deshalb bestimmt manche Personen im Saal froh, nicht im Geländewagen mitfahren zu müssen, während sie per Bild auf den sandigen Strassen gedanklich mit unterwegs waren. Teilweise sah man derart tiefe Furchen, dass man Angst um Achse und Unterboden haben musste. Hier war der Fotograf aber nicht allein, sondern im Konvoi unterwegs. Sogar das Navigationsgerät wies auf einem Föteli „Deep Sand“ aus. Dass auf solchen Reisen platte Reifen sehr gefürchtet sind, kann man gut verstehen, wenn man erfahren hat, wie dünn Garagen gesät sind – und dass manche zudem gar kein Benzin anbieten können, wenn der leere Tank gefüllt werden müsste.

Der Elefant ist der Chef

Die Tierwelt ist in Namibia von riesiger Vielfalt. So zogen vor den Augen des Publikums ganze Zebraherden vorüber, sperrten an einem Wasserloch Flusspferde ihre riesigen Mäuler auf oder flogen Vögel mit kunstvoll gezeichnetem Gefieder über Wasserläufe oder Steppengebiet. Und man konnte es sofort verstehen, dass auch der stärkste Van einem Elefantenbullen gerne den Vortritt lässt – und das in gebührendem Abstand! Auch am Wasserloch sind die grossen Dickhäuter die Chefs. Niemand wagt sich ans Wasser, bevor nicht die Elefanten getrunken haben. Flusspferde sind laut dem Referenten jedoch sogar noch viel gefährlicher als Löwen, welche genau einschätzen, ob sie es sich lohnt, eine mögliche Beute anzugreifen. Die meisten tödlichen Unfälle passieren denn auch bei Zusammentreffen mit Flusspferden. Der graziöse Oryx mit seinen gefährlich spitzen Hörnern ist das Wappentier Namibias. Und die ultraschnellen, äusserst eleganten Geparde kann man an vielen Orten antreffen.

Soziales

Eindrücklich war auch ein Einschub in soziale Gefilde. Die Schweizerin Ruth Rüegg betreibt in Namibia eine Farm namens DAKTARI und nimmt dort drogenabhängige junge Menschen auf. Corrado Filipponi hat die Frau besucht und dabei einen jungen Mann namens Gianni kennengelernt, dem es gelungen ist, von den Drogen wegzukommen. Ein ganzes Jahr hat dieser im Süden Afrikas verbracht, ist aber unterdessen wieder in der Schweiz und gibt seine Erfahrungen in Drogenpräventionsvorträgen an Schulen und Institutionen weiter. DOK SF 1 – Ruth Rüegg Die HIV-Rate in Namibia beträgt 50 %, es gibt deshalb unzählige Waisenkinder. Die Kinder werden mit einem Pickup abgeholt. Sie müssen aber selber auf die Ladebrücke aufspringen, da wird nicht lange gefackelt.

Deutsches Erbe

Namibia hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Von 1884 bis 1915 war das Land – damals Deutsch-Südwestafrika genannt – eine deutsche Kolonie. Hier liessen sich viele deutsche Siedler nieder. Noch heute sprechen viele Menschen in Namibia Deutsch, wenn auch in etwas altertümlicher Form. 1915 eroberten es südafrikanische Truppen, was 1919 zum Völkerbundsmandat für die Verwaltung Namibias führte. Die Amtssprache in Namibia ist heute Englisch. Es gibt aber heute noch einige Städte im Land, in denen alles auch auf Deutsch angeschrieben ist, so beispielsweise in Lüderitz, benannt nach einem bayerischen Einwanderer, der gleich auch kulinarische Genüsse mitgebracht hatte, die heute noch angeboten werden.

Wer sich in Namibias wechselvolle Geschichte vertiefen möchte, kann dies hier tun. Geschichte Namibias auf WIKIPEDIA.

Unten können frühere Berichte über Reise-Abenteuer von Corrado Filipponi nachgelesen werden.

VERFASST VON ANNELIES SEELHOFER-BRUNNER