Endlich wieder etwas fürs Gemüt!

Endlich wieder etwas fürs Gemüt!

So dachten wohl die meisten Mitglieder der Donnerstags-Gesellschaft Oberuzwil, als die – unerwartete, aber umso freudiger begrüsste – Einladung zu einem ganz besonderen Anlass ins Haus flatterte. Schliesslich hatte am 2. April die Hommage an Dieter Wiesmann wegen des Lockdowns nicht stattfinden können. Und auch das „kammerorchester st.gallen“ durfte am 17. Mai noch nicht auftreten.

Doch dank Vorstandsmitglied Ueli Gubler – welcher zusammen mit Lukas Gugger aus Gais als Co-Präsident dem Kammerorchester vorsteht – sowie dem übrigen Team der Donnerstags-Gesellschaft durfte jetzt das Musikensemble doch noch genossen werden, einfach mit einem etwas anderen Programm. Die Werke von W. A. Mozart mit der Apollo-Sinfonie KV 38 und Franz Schuberts 5. Sinfonie D 485 wurden kurzerhand gestrichen, einzig Max Bruchs Serenade wurde im Programm behalten, dafür kamen kurze Tänze aus Dänemark, Deutschland und dazu ein eher schwermütiges Liebeslied aus Schweden auf die Werkliste.

Das ganze Orchester. (Bild Ueli Gubler)

Smilla Waldtroll

Smilla Waldtroll trägt richtige Bergschuhe, dazu einen lustigen Hut und ein Kleid mit drei grossen Knöpfen vorne. Ein wenig erinnert sie an einen Räuber aus manchem Märchen. Aber sie ist lieb, lebt ganz allein im Wald und mag Einsamkeit und Stille. Nur etwas stört sie: Seit einiger Zeit gibt es hoch oben auf dem Berg Nacht für Nacht einen Riesenkrach. Manchmal wackeln gar die Felswände! Immer wieder sucht sie sich in ihrer Behausung einen andern Platz, wo es vielleicht ruhiger ist. Aber es nützt alles nichts.

Irgendwann hält sie das nicht mehr aus. Sie steigt zu dieser Lärmquelle hinauf, wird aber nicht eben freundlich empfangen. Denn da oben wohnt Gonnerdroll, ein riesiges Ungetüm von einem Waldtroll, mit Beinen wie von einem Elefanten, dazu Augen, so riesig wie Kürbisse und Hände, gross wie Bäume! Smilla spricht ihn an. „Ich kann nicht schlafen, weil du einen so riesigen Lärm machst!“ „Wer redet denn da von Schlafen! Ich schlafe nie! Hau ab, sonst kegle ich mit dir genauso wie mit meinen Felsbrocken!“ Grad freundlich ist dieser Gonnerdroll nun also wirklich nicht!

Waldelfe

Zum Glück gibt es auf der anderen Seite des Waldes eine kluge Waldelfe. Die weiss immer Rat. Sie fragt Smilla: „Hast du ihm denn gut zugehört?“ „Ach, der hat gar nichts erzählt.“ Da gibt die Elfe der staunenden Smilla einen wichtigen Rat. „Du musst eben immer die richtige Frage stellen.“ Gar nicht so leicht, dies zu befolgen. Weder Huhn, noch Dachs oder Fuchs können ihr da weiterhelfen. „Wieso kegeln Sie in der Nacht?“ ist logischerweise die völlig falsche Frage, denn Gonnerdroll kann ja eben nicht schlafen, darum ist ihm auch langweilig. Aber sicher ist „Warum schlafen Sie nie?“ genau richtig.

Die kluge Waldfee weiss Rat.

Der Troll taut auf

Und tatsächlich! Als ihn Smilla ein weiteres Mal besucht und diese Frage stellt, verkriecht sich der riesige Troll in seiner Höhle, schluchzt dort und benetzt den Boden mit seinen Tränen. Er ist nur noch ein Häufchen Elend und bekennt: „Wenn ich schlafen könnte, würde ich mit dem Kegeln sofort aufhören.“ Nun beginnt ihm Smilla eine Geschichte zu erzählen, in welcher sie ihm auch den Auftritt eines Waldtrolls verspricht. Gerade geduldig ist Gonnerdroll allerdings nicht, möchte sofort etwas von sich hören. Doch irgendwann – Smilla hat schon selber zünftig gegähnt – ist es um ihn geschehen. Es tönt nun in seiner Höhle, wie wenn 700 Sägen 700 Bäume zersägen würden. Jetzt ist endlich wieder nachts Ruhe im Trollwald. Und Smilla und Gonnerdroll sind seither die dicksten Freunde.

Mit zwei Knöpfen die Welt verändern!

Erstaunlich, was mit einer Leiter, ein paar angehängten Utensilien sowie etlichen Kissen, aber auch mit einer kindgerechten Erzählweise für eine Wirkung erzeugt werden kann. Jedenfalls war es mucksmäuschenstill in der Kirche, als sich ein Kissen vor den Augen des Publikums in den polternden Gonnerdroll verwandelte. Dazu brauchte es einzig zwei orange-farbene Knöpfe von Smillas Kleid und die durch deren Erzählung angeregte Fantasie. Als Elfe stand sie in luftigem Elfenkleid oben auf der Leiter und sang ein Liebeslied auf Schwedisch, etwas schwermütig, mit vielen Flügelschlägen mit ihren durchsichtigen Ärmelflügeln und immer wieder wiederholtem Text.

Die Kinder hatten überhaupt immer wieder allerlei zu gucken. So trank Smilla beispielsweise öfters aus ihrer schönen Tasse einen Bergbachblütentee, dessen Krug einfach so an der Leiter hing. Sie wechselte öfters mal die Position, nahm hie und da den ganzen Chorraum, sofern er nicht vom Orchester belegt war, für sich in Anspruch. Ihre Stimme schwang mit dem Erzählten mit, wechselte Farbe und Stimmung, ohne je ins Kitschige oder Anbiedernde zu verfallen. Und weil ja auch Erwachsene einmal Kinder gewesen sind, erstaunte es am Schluss nicht, dass der Applaus fast nicht mehr aufhören wollte.

Kammerorchester St.Gallen

Das „kammerorchester st.gallen“ ist ein recht junges Orchester, was das Alter von Spielerinnen und Spielern betrifft. Gegründet wurde es in dieser Form 2011 mit der Absicht, jungen, musikalisch begabten Menschen das Musizieren in einem Ensemble zu ermöglichen. Vorher hatte der bekannte Musiker Rudolf Lutz das Orchester jahrelang geprägt. Ein Gönnerverein unterstützt diese Absicht finanziell, Konzerte tragen ebenfalls zu einem tragbaren Orchesterbetrieb bei. 21 Mitglieder, die meisten davon weiblich, spielen unter Dirigent und künstlerischem Leiter Mathias Kleiböhmer Werke aus allen musikalischen Epochen. Das Orchester führt immer wieder auch Werke ostschweizerischer Musikschaffender auf. Obwohl die meisten musikalische Laien sind, ist der Anspruch an Ausdruck und technisches Können hoch.

Eine Art gesungenes Märchen

Bevor das Orchester in Oberuzwil auftrat, hatte es die mit passender Musik verwobene Geschichte bereits zwei Mal aufgeführt, einmal am Samstagnachmittag in Heerbrugg in der Heilpädagogischen Schule und am Sonntag um 11:00 Uhr als Matinee in der Lok-Remise St.Gallen. Das Orchester konzertierte mit grosser Spielfreude, unterstrich die Aussagen von Smilla mit viel Abwechslung zwischen Lautstärke, Tempo und Instrumenteneinsatz. Oft ging die Melodie wie eine Welle durchs Orchester, die Töne flogen von links nach rechts. Alles war aus einem Guss. Max Bruch mit seiner fünfteiligen Serenade nach schwedischen Motiven schien wie gemacht für so ein Troll-Märchen aus dem Hohen Norden. Nicht umsonst gibt es in Island gar eine Elfenbeauftragte, die beim Bau einer Strasse oder einem andern Bauvorhaben ein gewichtiges Wörtchen mitzureden hat. kammerorchester st.gallen

Multitalent Annette Démarais-Stickel

Die Schauspielerin und Musikerin – sie ist auch Mitglied im Kammerorchester St.Gallen – Annette Démarais-Stickel ist ein Multitalent, spielt Geige, Akkordeon und weitere Instrumente. Erst liess sie sich in Rorschach zur Primarlehrerin ausbilden und schloss daran die Ausbildung an der Scuola Teatro Dimitri, Verscio TI an. Die Mimin hat eine Stimme, der man gerne zuhört, ob sie nun spricht oder singt. Selber Mutter von drei noch kleineren Kindern, gelingt es ihr sofort, die Zuhörerschaft in ihren Bann zu ziehen. Alles sieht ganz leicht und logisch aus. Und doch braucht das Ineinandergreifen von Schauspiel und Musik ganz viel Einfühlungsvermögen auf beiden Seiten.

Immer wieder sah man denn auch den Dirigenten einen freundlichen Blick zu der Darstellerin werfen. Denn manchmal spielte sie auch mit dem Orchester mit, ganz ohne Noten. Einmal war nur das Gesprochene zu hören, ein ander Mal nur das Orchester, manchmal aber auch beides gleichzeitig. Für die anwesenden Kinder war jedenfalls immer etwas zu hören oder zu sehen, wurde ihre Fantasie angeregt, so dass die angekündigte Stunde wie im Nu verging. In dieser ganzen Zeit war eine andächtige, ruhige Stimmung im Kirchenraum zu spüren. Selbst die Zugabe war ganz besonders. Das Orchester spielte eine kleine Sequenz, Annette wollte schlafen, dies gleich mehrmals wiederholt, was das Publikum zum Schmunzeln brachte. Mit einer Standing Ovation verabschiedete sich das Publikum nach der so herzerwärmenden Feierstunde von Orchester und Waldtroll Smilla. Annette Démarais-Stickel

Max Bruch SERENADE

Dirigent Mathias Kleiböhmer

Schon fast mit dem ersten Ton spürte man die grosse Verbundenheit des Dirigenten mit seinem Orchester heraus. Er ist selber kommt ursprünglich aus dem Ruhrgebiet, ist Cello-Virtuose mit Konzertdiplom, also mit Streichinstrumenten sehr vertraut und weiss, was man Laien auf diesen Instrumenten zumuten kann. Mit für alle gut verständlichen Gesten führte er das Ensemble durch die verschiedenen Gemütszustände, die beispielsweise in den fünf Sätzen der SERENADE von Max Bruch (1838 – 1920) vorkommen. Musik mit jungen Leuten scheint ihm eine Herzensangelegenheit zu sein, denn er hat auch im Bündnerland ein Orchester gegründet, das „Junge Orchester Graubünden“. Junges Orchester Graubünden

Wegen Smilla Waldtroll vergass man manchmal fast, dem Dirigenten genauer zuzuschauen. Doch wenn der Blick wieder zum Orchester ging, fiel auf, wie sehr der dynamische musikalische Leiter mit seinem Dirigat die Stimmung beeinflusste. Mal machte er sich ganz klein – ein wunderbares Piano erklang, wurde zu einem Pianissimo und verklang schliesslich im nicht nur akustisch so schönen Raum der Grubenmannkirche Oberuzwil. Oder es war ein raumgreifender Klang verlangt, vom Dirigenten mit grosser Gestik angezeigt. Die tieferen Streichinstrumente, so Cello, Kontrabass oder auch die Viola verliehen dem Orchesterklang Fülle und Wärme, die Violinen dagegen Glanz und Leichtigkeit.

Viel Arbeit hinter den Kulissen

Wenn auch die CORONA-Schutzmassnahmen etwas gelockert worden sind, so gab es für die Verantwortlichen doch sehr viel zu tun, damit der Anlass dem Schutzkonzept gemäss über die Bühne gehen konnte. Da man sich vorgängig ja mit Adresse und Telefonnummer hatte anmelden müssen, waren die Kontaktdaten bereits bekannt. Mit Post-it-Zettelchen wurden die einzelnen Personen oder Grüpplein in den Kirchenbänken platziert, versetzt und mit dem nötigen Abstand. Im Gesamten waren fast 100 Leute in der Kirche, davon 21 im Orchester. Sollte nun tatsächlich jemand positiv auf CORONA getestet worden sein, so kennt der Vorstand die Namen derer, die in der Nähe einer infizierten Person sassen. Die Rückverfolgung wäre dann mittels einer akribisch aufgestellten Liste einfach nachzuvollziehen.

Nächster Anlass der Donnerstags-Gesellschaft Oberuzwil Duo Hommage – Annette Démarais-Stickel und Georg della Pietra – mit „De irisch Wind“, Lieder von Dieter Wiesmann

Weitere Informationen auf: Donnerstags-Gesellschaft Oberuzwil