Die morbide Seite von Krimi-Autorin Christine Brand…

Die morbide Seite von Krimi-Autorin Christine Brand…

3. Oktober 2022 Aus Von Annelies Seelhofer-Brunner

Davon erfuhr das Publikum kürzlich in der Uzwiler Bibliothek. Viele Anhängerinnen, aber auch etliche Anhänger der Krimiautorin waren zu dieser Lesung gekommen. Wer dabei war, konnte viel aus der Arbeit der vielseitigen Frau erfahren. Am anschliessenden Apéro gaben sich manche als fleissige Leser oder Leserinnen der Autorin zu erkennen. Mit diesem Auftritt ist der “Brand-Fanclub“ bestimmt weiter gewachsen.

Erstausbildung Lehrerin

Viele Journalisten oder Autorinnen waren ursprünglich im Lehrerberuf tätig, auch Kabarettisten kommen oft über diese Ausbildung zu ihrer Berufung. So besuchte auch Christine Brand erst einmal das Lehrerseminar Langenthal, stieg aber schon bald darauf als Volontärin in den Journalismus ein. Bald interessierten sie vor allem Gerichtsfälle, sie arbeitete viele Jahre als Gerichtsreporterin. Da lernte sie die Hintergründe zu Verbrechen und deren Aufklärung kennen, was ihr nun als Krimischreiberin sehr zugutekommt. Zum Glück muss man selber keinen Mord begangen haben, um über solche Kriminalfälle zu berichten. Ausserdem unterrichtet sie auch als Dozentin im Journalismus-Lehrgang an der Erwachsenenbildung Zürich «Storytelling» und «Reportage».

Bücher von Christine Brand in der richtigen Reihenfolge » Bücherserien.de (buecherserien.de)

Abwechslungsreiche Gestaltung der Lesung

Da sass nicht einfach eine blonde Frau mit strahlenden blauen Augen vor dem interessierten Publikum und schaute mehr in ihr Buch als zu den Leuten. Nein, sie verwob ihre persönliche Lebenserfahrungen und deren Hintergründe mit vier gelesenen Ausschnitten aus ihrem neuen Buch DER UNBEKANNTE. Die Geschichte ist Teil einer Serie. Beim Zuhören fiel auf, wie sehr die Autorin Wert auf Details legt, Details, die auch übersehen werden könnten. Und man hörte ihr gerne zu. In ruhiger, klarer Art und einer angenehmen Stimme liess sie das Publikum an einem doch recht geheimnisvollen, fast unerklärlichen Mordfall in kleinen Häppchen teilhaben. Genaueres steht schliesslich in ihrem neuen Buch, welches nach der Lesung mit Widmung zu kaufen war, angeboten von der Buchhandlung Gutenberg aus Gossau. Davon wurde denn auch rege Gebrauch gemacht. Und viele waren erstaunt, als die Lesestunde vorbei war. „Was, schon fertig? Ich hätte noch lange zuhören mögen“, war der allgemeine Tenor. Am reichhaltigen Apéro konnte jedoch noch ausgiebig über das Gehörte diskutiert werden.

 Christine Brand lebt von Mord und Totschlag – Play SRF

Es war ein Vergnügen, der ruhigen, warmen Stimme der Autorin zuzuhören.

Ihre Herkunft

Wer wie Christine Brand zwischen einer Metzgerei und einem Jäger aufgewachsen ist, dazu einen Vater hat, der Bestatter war, für den ist der Tod kein Tabu. Schon von Klein auf sah sie tote Rehe vor dem Haus, hörte das Quieken der von der Schlachtung bedrohten Schweine und musste jeweils das Telefon abnehmen, wenn jemand einen toten Menschen zur Bestattung anmeldete. Und sie lernte – ganz makaber – im Leichenwagen das Autofahren. Sogar in die Ferien fuhr ihre Familie mit diesem Gefährt. Das Gruselige zog die Frau schon früh in ihren Bann. Der Fall Zwahlen aus Kehrsatz beispielsweise elektrisierte sie derart, dass sie am Seminar blau machte, um bei den beiden Prozessen jedes Wort im Gerichtssaal mithören zu können.

Das Ziel ihres Schreibens

Immer steht ein gesellschaftliches Thema im Mittelpunkt eines Krimis. Christine Brand interessiert die Geschichte hinter dem Verbrechen. Dabei darf es ruhig auch einmal etwas handfester zu- und hergehen. Sie schreckt auch nicht vor expliziten Sexszenen zurück. Im neuesten Buch streift sie den traurigen Zustand der Obdachlosigkeit – aber auch Gesundheit ist ein Thema – lebt doch ein möglicher Zeuge ganz abgelegen als völliger Aussenseiter tief in einem morastigen Wald. Ihr ist auch die Opferseite ein wichtiges Anliegen. Aber auch der Verbrecher bleibt immer Mensch bei ihr.

Beim Zuhören ihrer vier Ausschnitte bekam man einen Einblick in ihre Sprache. Flüssig, mit leisem Humor, aber doch den Sachverhalt klar beschreibend, lässt sie ihre Figuren handeln. In DER UNBEKANNTE stirbt da nicht irgendeiner, sondern ausgerechnet der schweizerische Nationalratspräsident. Die Autorin liebt es, Finten zu legen und die Leserschaft damit auf falsche Fährten zu locken. Das steigert die Spannung.

Bibliotheksleiterin Jolanda Erismann bedankte sich – bestimmt auch im Namen des Publikums, ganz herzlich für die spannende Lesung.

Rückmeldungen aus dem Leserkreis

Christine Brand hat schnell gemerkt, dass es äusserst heikel ist, wenn sie in ihren Geschichten Tieren etwas antun lässt. Das wird von vielen nicht goutiert. Und auch mit kulinarischen Aussagen muss sie aufpassen. Ihre Bücher werden ja für den gesamten deutschsprachigen Raum gedruckt. Darum gibt es jetzt in den neuen Büchern auch nur noch Risotto und auf keinen Fall „Kartoffelbrei“ zu essen, sagt man dem doch hierzulande „Kartoffelstock“. Und sie weiss unterdessen sogar, dass Glocken nicht schlagen können. Auch das wurde ihr aus Leserkreisen klargemacht. Wenn sie angeschrieben wird, gibt sie möglichst auch Antwort. Doch je mehr ihre Bücher – und damit auch sie – bekannt werden, umso schwieriger wird es, die Zeit für all diese Korrespondenz aufzubringen.

Frankfurter Buchmesse 2021: Christine Brand im Gespräch

Eigene Lebensweise

Christine Brand lebt einen grossen Teil des Jahres in Sansibar, hat dort ein kleines Refugium, ein Zimmer im Haus einer einheimischen Familie. Schon früh wusste sie, dass sie keinen grossen Besitz brauche, hat deshalb auch keine eigene Wohnung, schreibt dafür gerne in Cafés, am liebsten in Sansibars Hauptstadt Stone Town. Der Laptop ist ihr treuester Begleiter. Wenn sie in der Schweiz ist, wohnt sie meist in Wohnungen, deren Besitzer ihrerseits auf Reisen sind. Und da sie nie den Wunsch hatte, selber eine Familie zu gründen, kann sie so unabhängig und ungestört schreiben und ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Für ihre Geschichten tauscht sie sich allerdings auch oft mit Polizisten, Rechtsmedizinern oder auch Gerichtspsychiaterinnen aus, um absolut authentisch und nachvollziehbar schreiben zu können. Und da sie unterdessen gleich drei Verlage hat, die ihre Bücher mögen, muss sie auch „liefern“. Aus einem Hobby ist längst Arbeit und damit Lebensgrundlage geworden. Ihre Leserschaft freut‘ s.

Dem reichhaltigen Apéro wurde eifrig zugesprochen und dabei das Gehörte nochmals besprochen.