Turbulente Hochzeitsvorbereitungen

Turbulente Hochzeitsvorbereitungen

15. November 2025 Aus Von Annelies Seelhofer-Brunner

Fast auf den Tag genau drei Jahre nach der Aufführung einer verkürzten Form der Zauberflöte von Mozart beehrte das Kammerorchester St.Gallen Kulturinteressierte in Oberuzwil erneut mit einer Opernaufführung. Ueli Gubler aus Oberuzwil ist Präsident des Kammerorchesters. Er war auch diesmal federführend, dass Oberuzwil in den Genuss dieser Opernaufführung kam. Gubler ist im Vorstand des Ortsmuseums Oberuzwil Mitgestalter von interessanten Wechselausstellungen. Dessen Schirmherrin ist die Donnerstagsgesellschaft. Diese beteiligte sich an den nicht unerheblichen Kosten für ein solches Konzert. Die Mitglieder der Gesellschaft bekamen freien Eintritt. Die Kirchenbänke waren sehr gut besetzt.

Hochzeits- und Zeitwirren

 «Le nozze di Figaro, KV 492, von Wolfgang A. Mozart (1756-1791) spielt im spanischen Sevilla in der Zeit vor der Französischen Revolution von 1789 bis1799. Zu nahe an Wien durfte die Geschichte schliesslich nicht angesiedelt sein. Davor hatte bereits der Franzose Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais ein Lustspiel geschrieben, welches allerdings König Louis XV. gar nicht gefiel. Die unglaublichen – und ungerechten – Vorrechte von Adel und Fürstenhof in Frankreich waren jedoch ein Ärgernis für die Bürgerschaft und sollten weggefegt werden, was Beaumarchais mit seinem Lustspiel auch beabsichtigte.

Passend für das mondäne Wien mit seinem Hofstaat

Komponist Mozart fand den Stoff geeignet für eine «Opera buffa». Den Text dazu schrieb der italienische Textdichter Lorenzo da Ponte (1749–1938), welcher von Mozart dafür angefragt worden war, in seiner Muttersprache. Innert kürzester Zeit – er hatte ja all seinen übrigen Verpflichtungen weiterhin nachzukommen – schrieb Mozart dazu die passende Musik. Hier kann man das ganze Libretto auf Deutsch nachlesen, wenn man mag.

Keine Oper ohne ein Ja des Kaisers

Danach musste erst die Erlaubnis für das Aufführen des Werks bei Kaiser Joseph II eingeholt werden. Dieser erlaubte dies mit der Vorgabe, dass vor einer öffentlichen Darbietung einige politisch heikle Aussagen entschärft werden müssten. Die deutsche Übersetzung namens „Figaros Hochzeit“, die auch das «niedere Volk» verstanden hätte, verbot er dagegen. Denn diese frivolen Vorgänge und Handlungen hätten Tumulte unter seinen Untertanen auslösen können. Allerdings verabscheute der Kaiser den «normalen» Adel ziemlich – ein wenig gefielen ihm die hier vorgeführten Personen deshalb heimlich schon. Am 1. Mai 1786 fand die Uraufführung in italienischer Sprache durch dieWiener Hofoper im Burgtheater am Michaelerplatz in Wien statt.

Erzähltes Operntheater

Das Kammerorchester hat aus dieser von Intrigen durchzogenen, von Mozart in herrliche Musik umgesetzten Oper eine Art Erzähltheater mit kammermusikalischen Einsätzen gestaltet. Als Grundlage für die Aufführung diente eine historischer Bearbeitung für Streichquartette. So ganz ohne eine Denkhilfe hätte man der Handlung allerdings vermutlich nur schwer folgen können. Doch dank ganz unterschiedlicher Hüte konnte, auch wer die Oper nicht kannte, sich im allgemeinen Dschungel etwas besser zurechtfinden. Denn die handelnden Personen waren nicht immer die, als die sie sich ausgaben. Die Handlung ist im Grafenschloss und dessen Umgebung angesiedelt.

Zapzarap-Theater

Die Zusammenarbeit zwischen Marion Mühlebach und Jan Hubacher vom Ensemble zapzarap und dem Kammerorchester „sparte“ Besucherinnen und Besuchern die Hälfte der Dauer der «normalen» Oper.

Das Duo führte mit genauen Aussagen über die Vorgänge in der Oper durch die vier Akte. Man verstand jedes Wort, wozu auch die wunderbare Akustik der Oberuzwiler Grubenmannkirche ihren Teil beitrug.

Die beiden Personen unternahmen alles, um die Zuhörerschaft mit auf die Reise zu nehmen. Manche Szenen wurden augenfällig gezeigt, manche aber nur angedeutet, manchmal auch ins Spiel des Kammerorchesters hineingesprochen. In dieser Oper wird viel gelogen, getrickst und verkleidet. Man muss aufpassen, dass man immer mitkommt, wer jetzt wieder eine Intrige spinnt.

Bühnenbild

Das Bühnenbild war karg, aber sehr zweckdienlich. Und spielte das Orchester, konnte der Spickzettel in ein Seitenfach gesteckt werden. Aufmerksam verfolgten Darstellerin und Darsteller das Geschehen im Orchester. Alles floss ineinander. Am Schluss des 2. Aktes wurde verkündet: «Tumultartiges Chaos bricht aus», obwohl das Orchester über weite Strecken schön geordnet spielte, bis dann wirklich ein Tumult ausbrach. Man hörte von Gebüsch oder Pavillons, Verstecke, die offenbar zur Zeit der Oper oft gebraucht wurden, stellte sich das auch vor, obwohl man dazu keine Kulissen sah. Dem Publikum wurde zugemutet, sich eigene Bilder zu machen. Dieses nahm die Herausforderung gerne an. Die Kirche wurde je nach Stimmung des Geschehens in verschiedenfarbiges Licht gesetzt, was dem Ganzen einen zusätzlichen Reiz verlieh.

Emotionales Mitgehen

Man litt im Kirchenbank mit Susanna mit, spürte das Herzklopfen, das vom Orchester lautmalerisch umgesetzt wurde. Man litt auch mit Figaro. Und konnte es kaum glauben, als herauskam, dass Figaro in Wahrheit das uneheliche Kind von Haushälterin Marcellina war. Da erübrigte sich auch sein voreilig abgegebenes Versprechen, sie im Falle von Zahlungsunfähigkeit zu ehelichen. Und Graf Almaviva grämte sich, dass das Recht der ersten Nacht aus moralischen Gründen bereits abgeschafft worden war. Wie gern hätte er dieses wahrgenommen. Aber so ganz aufgeben wollte der Graf dennoch nicht einfach. Er lud Susanna in den Garten ein. Sie wollte nicht. «Ohne Garten keine Mitgift!», meinte der Graf. «Und ohne Heirat kein Herrenrecht», – wie das Recht auf die erste Nacht auch genannt wurde – entgegnete Susanna

Irgendwann fand dann die bis anhin verunmöglichte Hochzeit doch statt. Nur gab es noch etliche Verwicklungen, bis das Happyend folgen konnte. Graf und Gräfin versöhnten sich, alles löste sich in Minne auf. Und das Orchester konnte noch einmal in Mozarts Tönen schwelgen. Während es in den meisten Opern am Schluss Tote gibt, kommt in dieser Geschichte also schliesslich niemand zu Schaden.

Junges Orchester

Das auffällig junge Orchester, fast nur von Frauen besetzt, spielte mit grosser Spiellust, von Dirigent Matthias Kleibömer auf ruhige, zugewandte Art dirigiert. Man spürte seine Verbundenheit mit dem Orchester, auch wenn man seine Mimik von hinten nicht sehen konnte. Das gut besetzte Cello-Register, noch unterstützt vom hervorragenden Bassisten – und Stimmführer – Darius Grimmel, betonte wichtige Auftritte, gab dem Ganzen Boden, während die Geigen Leichtigkeit in die einzelnen Szenen brachten, manchmal gar einen spöttischen Ton, wie denn auch die ganze Oper nicht frei von Anspielungen und Spötteleien ist. Die Französische Revolution schimmerte bei all den Szenen immer etwas durch. Sprecher Hubacher betonte auch bei jeder neuen Jahreszahl, die er vortrug: «X Jahre vor der Französischen Revolution». Als Grundlage für die Aufführung diente eine historischer Bearbeitung für Streichquartette.

Grosser Schlussapplaus

Am Schluss der «Taschenoper», wie das Kammerorchester diese Kurzversion getauft hat, brandete grosser Applaus auf bis hin zu einer längeren Standing Ovation. Durch den Jubel waren auch einzelne Jauchzer einer offenbar wirklich sehr beglückten Zuhörerin/Zuschauerin zu hören.

Dirigent Kleibömer bedankte sich beim Orchester und bei Marion Mühlebach und Jan Hubacher, die mit ihrer starken Präsenz dem Ganzen ebenfalls ihren Stempel aufgedrückt hatten.

Als letzte «Amtshandlung» hatte Marion Mühlebach ein «Da capo-Verbot» verkündet, was so viel wie «es gibt keine Zugabe» bedeutete. Nach einem derartigen Stück wäre das ja auch fast ein Verbrechen, da noch etwas zuzufügen.

Und für Fans mit wenig Zeit

Wer die Oper nachverfolgen möchte, aber nicht zu viel Zeit darauf verwenden will, kann hier auf vergnügliche Weise in 10 Minuten alles Wissenswerte darüber erfahren.