Kammerorchester St.Gallen verzauberte in Oberuzwil mit «eingedampfter» Zauberflöte

Kammerorchester St.Gallen verzauberte in Oberuzwil mit «eingedampfter» Zauberflöte

25. November 2022 Aus Von Annelies Seelhofer-Brunner

Opern sind nichts für Menschen ohne Geduld. Vom Anfang über die Verwicklungen hin zum meist düsteren Ende braucht es oft Stunden. Darum können auch viele Leute nichts mit dieser Art Geschichtenerzählen anfangen. Das Kammerorchester St.Gallen betört jedoch mit seiner – wie Sprecher Alexandre Pelichet dies nannte – «eingedampften» Version bestimmt auch Opernmuffel. Die Donnerstags-Gesellschaft Oberuzwil hatte zu diesem einmaligen Konzert eingeladen. Donnerstagsgesellschaft Oberuzwil

Co-Präsident Adrian Müller freute sich über das riesige Interesse. Am Schluss des Konzerts bedankte er sich bei allen Mitwirkenden, hier mit Blumen bei Konzertmeisterin Eveleen Olsen.

Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791)

Mozart gehört wohl zu den bekanntesten Musikern der Welt. Er war ein Wunderkind, wie es nur selten eines gibt. Er war das siebte Kind der Familie Mozart, aber erst das zweite Überlebende, in früheren Jahrhunderten kein Einzelfall. Bereits mit vier Jahren bekam er – zusammen mit seiner Schwester Maria Anna, kurz Nannerl genannt – Unterricht in Komposition, dazu Klavier- und Geigenunterricht. Und bereits mit sechs Jahren begannen ausgedehnte Konzertreisen, immer zusammen mit Vater Leopold Mozart, oft auch mit der Mutter, immer mit Schwester Nannerl. Mit ihrem ausdrucksstarken Spiel verzauberten die talentierten Kinder ihre Zuhörerschaft. Eine Kindheit, wie wir sie kennen, gab es für die Mozartkinder allerdings nicht. Mozarts Musik wird von verschiedenen Seiten bis heute heilende, stärkende und beruhigende Wirkung zugesprochen. Sie hat nichts von ihrer Frische eingebüsst. Und inspiriert auch heute viele Musizierende, Mozarts Werke neu zu interpretieren.

Schon mit 11 Jahren schrieb Mozart den ersten Teil der Komposition Die Schuldigkeit des ersten Gebots. Den zweiten Teil komponierte Michael Haydn dazu, den dritten Anton Cajetan, erhalten geblieben ist allerdings nur Mozarts Werk. Schon bald begannen Reisen nach Italien, die Suche nach einer Anstellung, immer wieder finanzielle Engpässe. Der geniale Komponist, Klavier- und Geigenvirtuose wurde nur 35 Jahre alt, hat aber in seinem Leben mehr unsterbliche Werke geschaffen als die meisten seiner viel älter gewordenen Kollegen. Kolleginnen hätte es selbstverständlich auch gegeben, aber zu der Zeit traute man einer Frau kein kreatives Schaffen zu. Und die Konkurrenz unter den männlichen Musikern war auch so schon riesig.

Bekannte «Hits»

Die Oper «Die Zauberflöte» hat den Ruf, die meistaufgeführte Oper der Welt zu sein. Uraufgeführt wurde das oft rätselhafte Werk 1791 im Freihaustheater «Auf der Wieden» in Wien. 1800 arrangierte ein unbekannter Musiker die Oper für ein Streichquartett. Das Kammerorchester St.Gallen hat auf diese Partitur gesetzt. Wer kennt nicht die Arien «Der Vogelfänger bin ich ja…», «Dies Bildnis ist bezaubernd schön» oder den Schluss der Oper «Ein Mädchen oder Weibchen wünscht Papageno sich»? Das Orchester spielte die eingängigen Melodien verständlicherweise völlig wortlos… In dieser Oper wird der Kampf zwischen Gut und Böse, Hell und Dunkel auf vielfältige Weise abgehandelt. Die Zauberflöte| Opera Online

Es gibt auch von Mozarts Werken «Cover-Versionen», so hat der bekannte deutsche Klavierkabarettist und Reimkünstler Bodo Wartke zur Papagenos Arie «Vogelfänger» eine ganz eigene Nummer mit eher schwarzem Humor, aber hinreissender Darbietung kreiert. Bodo Wartke – Der Vogelfänger bin ich ja – YouTube

Auch «Die Königin der Nacht» hat er – zusammen mit Melanie Haupt – dargestellt. Königin der Nacht – Eine Version von Bodo Wartke und Melanie Haupt – YouTube

«Drehbuch» gemeinsam verfasst

Für die «eingedampfte» Version dieser Oper haben sich Dirigent Mathias Kleiböhmer und Sprecher Alexandre Pelichet zusammengesetzt, um die Handlung mittels einfacher Hilfsmittel – grösstenteils Flaschen unterschiedlichster Grösse und farblicher Erscheinung – dem Publikum anschaulich erzählen zu können. Mit viel Liebe zum Werk, Humor und grossem Einfallsreichtum der Darstellung bietet dieses Zusammenspiel herrliches Vergnügen und hilft zugleich, sich im Dschungel all der handelnden Figuren mit teils ganz ähnlichen Namen – beispielsweise «Tamino-Pamina» oder «Sarastro-Monostatos» – zurechtzufinden. Im gediegen gestalteten Programmheft verspricht Dirigent Kleiböhmer allerdings, die Oper «in einer Stunde» zu Gehör zu bringen. So ganz hat dies das Kammerorchester nicht geschafft, zum Glück! Denn so dauerte auch das Vergnügen etwas länger! Die Zauberflöte – Wikipedia

Humorvolle Vorstellung der handelnden Personen

Die Ouvertüre – in ganzer Länge! – war noch nicht ganz zu Ende, da stürmte ein grossgewachsener Mann – Sprecher Alexandre Pelichet – durch den Mittelgang der Kirche und begann lautstark über das Stück zu sinnieren. Erst führte er in die Oper ein, erzählte, dass bei der Uraufführung in Wien alle Vorstellungen im 1000-plätzigen Theater restlos ausverkauft gewesen seien, Mozart aber nur gerade 10 Wochen nach diesem Triumph verstorben sei. Da aber die Handlung doch recht kompliziert, mit ganz unterschiedlichen Figuren, versuche er, etwas Licht in die Geschichte zu bringen. Und so tat sich auf dem Taufstein ein wahres Theater auf.

Prinz Tamino ist auf der Flucht vor einer Schlange aus Versehen ins Reich der Königin der Nacht geraten. Diese hasserfüllte Frau hat der Erzählung nach eigenhändig einen Dolch geschmiedet, um sich damit vom «Joch des Patriarchats zu befreien.» Sie sinnt auf Rache, denn ihre Tochter Pamina ist von Sarastro, ihrem Gegenspieler – Priester und König – entführt worden. Da kommt Tamino gerade recht. Er erhält eine Zauberflöte, sein Gehilfe, der Vogelfänger Papageno, ein Glockenspiel. Damit können sie sich aus brenzligen Situationen retten. Die jungen Männer haben drei schwierige Prüfungen zu bestehen. Tamino gelingt das, Papageno nicht. Am Ende gibt es für Tamino und Pamina ein Happyend. Das Gute hat über das Dunkle, Böse gesiegt. Tamino ist zudem zu einem besseren Menschen geworden.

Alle Personen wurden mit Flaschen dargestellt. So war auch das Bildnis der als «wunderschön» geschilderten Pamina als Flasche zu sehen und vom Publikum sofort mit Gelächter bedacht. Dass für die Priesterweihe gleich ein ganzer Kasten Bier aufgefahren wurde, belustigte ebenfalls. So erstaunte es auch nicht, dass der Sprecher schnurstracks eine solche Flasche öffnete und genüsslich daraus trank. Auch einen Mozart-Witz gab es. «Was ist schlimmer als eine Flöte? Zwei Flöten!» Das ganze Werk wurde in einem Guss dargeboten, Sprecher und Orchester wechselten übergangslos, der Spannungsbogen blieb bis zum donnernden Schlussapplaus erhalten. Eine Zugabe blieb aus verständlichen Gründen dennoch aus…

Motiviertes Ensemble

Das Orchester spielte mit sichtbarer Freude. Kleine rote Akzente in den schwarz gehaltenen Kleidern lockerten das Bild etwas auf. Männer muss man in diesem Orchester allerdings suchen, sie sind stark in der Unterzahl. Aber Musik kennt ja kein Geschlecht, einzig das Spiel auf dem Instrument zählt. Jede musikalische Szene hat ihren eigenen lautmalerischen Charakter. Oft hätte man selbst bei geschlossenen Augen herausfinden können, welcher Programmpunkt jetzt an der Reihe sei. home | Kammerorchester

Körperbetontes Dirigat

Es war eine Freude, Mathias Kleiböhmer beim Dirigieren zuzuschauen. Er setzte seinen ganzen Körper ein, holte mit weitausschweifenden Armen die gewünschte Lautstärke heran, machte sich ganz klein, um ein wirkungsvolles Pianissimo zu erzielen und schien eins mit den Musizierenden zu sein. Ganz schön war das am Schluss der begeisternden Aufführung zu sehen, als er sich an die Seite stellte und stolz auf «sein» Orchester zeigte. Man spürte die gemeinsame Verbundenheit, was sich im ausgewogenen Klang und der passenden Dynamik gut hörbar niedergeschlagen hatte.

Freimaurerische Elemente

Das Libretto zur Oper «Die Zauberflöte» hatte Mozarts Freund Emanuel Schikaneder geschrieben. Beide waren Logenbrüder der Freimaurer, damals eine absolut verschwiegene Gesellschaft. Ziel der Freimaurer ist ein ernstes und lebendiges Streben nach Freiheit, beruhend auf geistiger und sittlicher Bildung. Mozart und Schikaneder: Ein siegreiches Doppel BR

Mozart zog vermutlich vor allem das Geheimnisvolle und Symbolhafte dieser Vereinigung an. In der Oper wird die Läuterung eines Menschen – hier Tamino – durch viele Prüfungen hindurch zum reinen, sittlich einwandfreien, ja fast gottgleichen Wesen besungen. Es gibt unzählige Abhandlungen über diesen freimaurerischen Einfluss auf die Oper.

Wer mehr dazu wissen möchte, findet im folgenden Link weitergehende Informationen. Wolfgang Amadeus Mozart – Freimaurer