Alte Fahne in neuem Glanz

Alte Fahne in neuem Glanz

20. Januar 2020 Aus Von Annelies Seelhofer-Brunner

Der Männerchor Frohsinn Oberuzwil ist ein stolzer Verein mit einer ebenso stolzen Geschichte. Zu einem solchen Verein gehört selbstverständlich auch eine Vereinsfahne. Lange lag die Gründerfahne von 1842 oder 1843 völlig unbemerkt in einem Kasten. Irgendwann kam sie zum Vorschein, völlig zerfallen und bleich. Was nun? Ehrenpräsident Felix Grünenfelder und allen voran Sänger Heini Weber fanden, diese Fahne müsse wieder zu einem Schmuckstück werden. Homepage Männerchor Frohsinn

Heini Weber überzeugte seine Sängerkameraden mit viel diplomatischem Geschick, doch einer Restauration dieses geschichtsträchtigen Stücks Stoff zuzustimmen. An der HV 2019 taten sie das denn auch. Völlig uneigennützig leistete der Sänger zudem grosse Vorarbeit für eine Dokumentation. Er hatte unterdessen eine Fachfrau mit Fachhochschulabschluss als textile Restauratorin ausfindig gemacht. Diese Frau, Rahel Vetter aus Rorschacherberg, nahm sich der arg ramponierten Fahne an und liess nicht locker, bis diese nun wieder in altem Glanz erstrahlt.

Vorher – nachher: Vor der Restauration sah die Fahne bös zerzaust aus, doch die Restauratorin konnte alle Löcher und Schadstellen ausbessern. Nun hängt sie an der Wand im Rössli-Saal als Zeugin einer Epoche aus fernen Zeiten.

Zum Glück gibt es Stiftungen

In Oberuzwil kann, wer ein kulturelles Anliegen mit Mehrheitsfähigkeit hat, immer auf einen Beitrag der Max- und Margrit-Heer-Stiftung zählen. Sie war es denn auch, die einen namhaften Beitrag an dieses Unterfangen beisteuerte. Sänger Rolf Thalmann trug als zweiter Sponsor ebenfalls zur Restauration bei, auch der Männerchor beteiligte sich. Billig ist so eine Wiederherstellung eben nie, muss doch bei derart kaputten Stoffen an manchen Stellen fast Faden für Faden neu eingezogen werden. Doch der Aufwand hat sich gelohnt! Im Rössli-Saal kann die restaurierte Kostbarkeit nun bewundert werden, denn die Rössli-Eigentümer Edi und Ursi Wagner-Caprez erlaubten das fixe Aufhängen im Probenlokal. Vielleicht beflügelt dieses geschichtsträchtige Stück Stoff gar die Proben, wer weiss? Max und Margrit-Heer-Stiftung  

Apéro vor der HV

Die Verantwortlichen aus dem Männerchor fanden, dies sei Anlass genug, um einen feierlichen Einweihungsakt zu organisieren. Präsident Thomas Künzle begrüsste denn auch seine Kollegen sowie die Gäste, Ursi und Edi Wagner-Caprez als Rössli-Besitzer, dazu Adrian Müller als Stiftungsmitglied der Max-und Margrit-Heer-Stiftung sowie Gemeindepräsident Cornel Egger mit launigen Worten. Felix Grünenfelder stellte die Geschichte der Fahne in einer Art Kurz-Abriss vor. Interessiert und oft auch schmunzelnd hörten Sänger und Gäste zu. Geschichte kann sehr spannend sein!

Freundliche Begrüssung durch Präsident Thomas Künzle. Felix Grünenfelder stellte den idellen Wert der Fahne in den Vordergrund, liess aber auch die Vereinsgeschichte nochmals aufleben. Künzle bedankte sich bei Grünenfelder, vor allem aber auch bei Heini Weber (unteres Bild), welcher massgeblich zum erfreulichen Ergebnis beigetragen hat.

Am Anfang war die HARMONIE OBERUTZWIL

Wie vielerorts war auch in Oberuzwil ein Schützenfest – 1838 – Anlass für sängerisches Tun. Damals waren vaterländische Lieder gefragt. Da kamen Lieder des Appenzeller Komponisten Johann Heinrich Tobler (1777 – 1838) gleich mehrfach zum Zug. Dieser schrieb 1825 das Lied ALLES LEBEN STRÖMT AUS DIR zu einem Text von Carolina Christiana Louisa Rudolphi (*1753 †1811). Tobler dirigierte damals auch am allerersten schweizerischen Sängerfest die anwesenden Sänger auf der Vögelinsegg. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass das von einer Frau getextete Lied seit 1877 immer an der Appenzell-Ausserrhoder Landsgemeinde gesungen wurde, obwohl bis 1991 Frauen zu diesem „Staatsakt“ keinerlei Zutritt hatten!

 Text – Alles Leben strömt aus dir und hier Ode an Gott – gesungen

Den Oberuzwiler Schützen gefiel das Singen, das wollten sie weiter pflegen. Schon 1842 traten die Oberuzwiler Mannen mit dieser nun so schön restaurierten Fahne am vom Verein organisierten regionalen Sängerfest auf, dies mit dem Namen „Harmonie Oberutzwil“. 1844 wäre die Fahne bei einem fürchterlichen Sturm beinahe zerzaust worden, konnte aber im letzten Moment noch gerettet werden. Schliesslich hatten Oberuzwiler Jungfrauen dieses wertvolle Stück dem Gesangsverein geschenkt. Die Fahne diente dem Verein 25 Jahre, bis sie in einen Schrank gesteckt und viele Jahrzehnte dort vergessen blieb.

Gestörte Harmonie

Allerdings war nicht immer eitel Harmonie im Verein, es gab eine Zeitlang sogar zwei konkurrierende Chöre, die HARMONIE OBERUTZWIL sowie die UNION MUSICALE. Doch 1882 gelang die „Wiedervereinigung“, von nun an hiess der Chor MÄNNERCHOR FROHSINN. Und diesen Frohsinn haben die Sänger bis heute behalten. Ein kleines Detail am Rande: Der Grossvater der verstorbenen legendären Rössliwirtin Erika Wagner wurde erster Präsident des Chores. Sicher auch deshalb hatten die „Frohsinnler“ immer einen ganz besonderen Platz im Herzen der unverwüstlichen Wirtin.

Ohne Gesang geht beim Männerchor nichts

Dirigentin Heidy Gerber hatte in Absprache mit dem Vorstand drei Lieder ausgewählt, die zum feierlichen Anlass perfekt passten. Mit „Erhebet das Glas!“ wurde auf die erfolgreiche Wiederherstellung der alten Fahne musikalisch – und danach auch real – angestossen. Und was würde besser zu einem textilen „Dokument“ aus der Mitte des 19. Jahrhunderts passen als das andächtige Lied ALLES LEBEN STRÖMT AUS DIR, früher auch als ODE AN GOTT bekannt. Mit HEAVEN IS A WONDERFUL PLACE zeigte der Chor danach, dass er musikalisch auch über den Tellerrand hinausschaut. Der rassige YEAH-Ruf am Schluss des Liedes leitete zum gemütlichen Apéro-Teil über. Im Anschluss daran hielt der Verein seine alljährliche HV ab.

Hier kann ein Rückblick auf die Einweihung des neuen Flügels im Jahre 2018 nachgelesen werden. Musik verleiht Flügel