Uzwil: Ein BLACK OUT liess das Licht bei KULTUR GIBT GAS ausgehen…

Uzwil: Ein BLACK OUT liess das Licht bei KULTUR GIBT GAS ausgehen…

26. November 2019 Aus Von Annelies Seelhofer-Brunner

…was so allerdings nicht exakt stimmt. Mit der digitalen Tanzshow BLACK OUT endete jedoch ein zehnjähriges Kulturangebot der Technischen Betriebe Uzwil. In Zukunft werden im Kino City unter der Federführung von Kulturbär Christoph Baer verschiedene kulturelle Anlässe stattfinden. Renato Wyss, technischer Leiter der Technischen Betriebe, ehrte anlässlich seiner Begrüssung den Initianten dieser kulturellen Leckerbissen, Hansjörg Eberle und mit ihm zusammen Sekretariatsleiterin Rita Zahner, die all die Jahre die ganze Organisation rund um die Anlässe mit viel Herzblut geführt hat. Sie bekamen dafür einen grossen Applaus.

Wurden geehrt: Initiator Hansjörg Eberle, ehemaliger Leiter der Technischen Betriebe Uzwil, und Rita Zahner, Sekretariat und gute Seele von GAS GIBT KULTUR.

Mit der wunderbaren Tanzshow BLACK OUT von FLOWMOTION DANCE COMPANY ging am 23. November 2019 allerdings auch die erfolgreiche Ära der Kulturvermittlerin, Intendantin und Musikerin Susanna Wipf Fischer zu Ende. Ihr wurde in Abwesenheit ein lautstarker Publikumsapplaus über die Landesgrenze hinaus nach Frankreich geschickt, wo sie seit einiger Zeit wohnt. Hoffentlich hat sie ihn gehört…

Kurzer Rückblick

Seit Dezember 2010 konnten Kulturinteressierte in der Region hochstehende Theateraufführungen, Musicalabende, aber auch spannende Kriminaltheater oder gar Operetten geniessen. Auch die Kinder durften sich jedes Jahr auf ein ganz besonderes, speziell auf sie zugeschnittenes Programm freuen. Das tapfere Schneiderlein war ebenso zu Besuch in Uzwil wie das Rumpelstilzchen oder Pippi Langstrumpf, um nur einige zu nennen.  So gab es wegen riesiger Nachfrage auch schon gleich zwei solche Vorstellungen. Was anfänglich als Angebot zum 100-Jahr-Jubiläum der Technischen Betriebe Uzwil gedacht war, geriet schnell zu einem Publikumsmagnet. In all den Jahren hat Theaterleiterin und Musikerin Susanna Wipf Fischer dem Programm ihren Stempel aufgedrückt, unterstützt von einem Team aus den Technischen Betrieben Uzwil. Im ausgezeichnet dokumentierten Programmheft zur diesjährigen Spielzeit können alle Angebote nochmals nachgelesen werden. Programmheft 2019 GAS GIBT KULTUR

Und das ist neu vorgesehen: Kulturangebote im Kino City Uzwil Detailliertes Angebot

BLACK OUT

Es gibt wenig, was die heutige Wirtschaft so sehr fürchtet wie einen Blackout. Wenn „nichts mehr geht“, dann geht tatsächlich kaum mehr etwas. Ohne Strom ist die heutige Welt so ziemlich verloren, auch wenn solche Ausfälle oft nur wenige Stunden dauern. Die sechs jungen Tänzerinnen und Tänzer der FLOWMOTION DANCE COMPANY zeigen dies in ihrem Stück BLACK OUT auf sehr augenfällige Weise.

Schon vor der Vorstellung dröhnte es wie in einer U-Bahnstation. Eine solche war auch auf der Bühne zu sehen, karg und unwirtlich, aber praktisch, solange alles seinen Gang geht. Nach und nach traten sechs junge Frauen und Männer mit Sack und Pack auf und warteten auf den Zug. Einfach nur warten ist natürlich langweilig, darum beschäftigten sich bis auf einen Mann mit einem zerfledderten Buch alle mit ihrem Smartphone, telefonierten, lachten über WhatsApp oder kleine Filmchen und schienen wie in einem Kokon eingesponnen zu sein. Es gab keinerlei Kontakt zwischen den Personen. Eigentlich alles wie auf einem Bahnhof von heute, sei dies irgendwo im Land…

Vom Himmel herab schneit es auf einmal Einser und Nullen, die digitale Welt zieht schliesslich auch unter der Erde die Menschen in ihren Bann. Doch dann plötzlich: Flackerndes Licht, bis dieses ganz ausgeht. Auch der Ausgang verschlossen. Ratlosigkeit macht sich breit.

Überraschendes

Nun kommen die Menschen in Bewegung, versuchen nach einigen Schockmomenten einander zu helfen. Aber gesprochen wird auch jetzt nicht, genauso wenig wie während der ganzen Vorstellung. Doch das Licht bleibt aus. Zum Glück gibt es einen Koffer mit Scheinwerfer. Es sieht erst wie eine Art Lagerfeuer aus. Der Hintergrund ist weiss, die Tanzenden tragen Schwarz-Weiss oder auch ein gedämpftes Rot. Schattenspiele, oft von zwei Personen zu einer einzigen Figur verschmolzen, geben dem Auge Futter. Skulpturen werden aufgebaut, schön langsam, damit Zeit zum Schauen bleibt.

Doch plötzlich wird die weisse Wand eingerissen, ein ebenfalls weisses Zimmer wird sichtbar. Allerdings nicht lange! Der Raum wird digital „möbliert“, eine Tänzerin lässt sich darin nieder. Doch die Szenerie verändert sich ständig. Wie an der Expo 2002 hüpft auch hier ein Mann von farbiger Bodenfläche zu einer nächsten. Aber plötzlich zerfällt alles, ein Erdbeben hat das Haus zerstört. Nun strömt – zum Glück nur virtuelles – Wasser auf die Bühne, eine spannende visuelle Reise beginnt.

Für junge Leute selbstverständlich

„Digital Natives“ werden Menschen genannt, die schon mit dem Computer, Smartphone und anderen technischen Geräten aufgewachsen sind, deshalb auch keine Scheu vor der Digitalisierung haben und immer bereit sind, neu aufkommende Techniken sofort zu integrieren. Die Tänzerinnen und Tänzer gehören zu dieser Generation. Da erstaunt es nicht, dass in ihrem Programm digitales Tennis gezeigt wird, fast in Zeitlupe, so dass man den viereckigen Ball auch schön sehen kann, wie er von einer Tafel zur nächsten und wieder zurück hüpft. Oder wie man Tetris auf ganz spezielle Weise spielen kann. Verblüffend, wie punktgenau die einzelnen Teile unten ankommen und – wenn die Zeile voll ist – auch wieder verschwinden.

Wunder der Welt in Gefahr

Staunend steht man vor dem Riesenaquarium. Wundersame Wesen schwimmen herum. Ein schwarzes Loch tut sich auf, der Blaue Planet wird sichtbar, verwandelt sich in eine Art Totenkopf. Das gibt zu denken. Sorge um die Umwelt gehört für die Tanzcompany ebenso zum Wesentlichen wie Spass und Talent zur Bewegung. Später steht ein Politiker vor einer riesigen Menge – lauter kleine schwarze Männchen mit weissen Augen – und verspricht vermutlich das Blaue vom Himmel herunter. Da im ganzen Stück nie gesprochen wird – wenigstens nichts Verständliches… – kann man auch hier nur erahnen, was er zum Besten gibt. Augen auf vor Verführung und süssen Worten!

Kinder fühlten sich angesprochen

Vor dreissig Jahren wären wohl Kinder noch kaum so fasziniert auf ihren Stühlen gesessen, hätten vielleicht sogar Angst bekommen, wenn da plötzlich Kampfszenen à la Ninja-Kämpfer aufgetreten wären, mit einem virtuellen Hintergrund einer asiatischen Strassenszene. Doch dem heutigen Jungvolk gefallen solche Schauplätze. Das kleine Fresserli aus der Super-Mario-Zeit, welches sich andere Wesen einverleibt, machte jedenfalls Freude. Und die zumeist elektronisch komponierte Musik unterstrich das Gezeigte noch lautmalerisch.

Man hörte immer mal wieder ein Kind kichern oder einen erfreuten Ausruf tun. Sonst war es das ganze Programm lang äusserst ruhig. Es gab ja auch so viel zum Staunen. Ganz besonders poetisch waren die verschiedenen Sequenzen mit Lichtstäben in allen Farben. Da rann einmal die Farbe aus einem Stab buchstäblich in den nächsten, wechselte Farbton und Art des Lichtes und verblüffte ein ums andere Mal. Oder es bauten sich Skulpturen mit leuchtendem Rahmen auf. Der Fantasie scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein, der technischen Ausführung scheinbar ebenfalls nicht.

Akrobatische Tänzer, sportliche Tänzerinnen

Wer sich von diesem Abend eine Art Paartanzen versprochen hatte, war im Gemeindesaal fehl am Platz. Doch wer Körperbeherrschung und akrobatische Einlagen liebt, kam voll auf seine Rechnung. Der eine oder andere junge Tänzer zeigte sein spitzbübisches Wesen. Hebefiguren, manchmal auf einer Art überdimensionalem Rollbrett ausgeführt, zeigten die ganze Bandbreite ihres Könnens. Verschiedene Nationen und die unterschiedlichsten Fähigkeiten der einzelnen Mitglieder tragen in dieser Produktion zu einem einmaligen Kunstwerk bei. Darstellende Kunst – so beispielsweise bei den Schatten-Skulpturen – ist in einem derartigen Programm ebenso wichtig wie technisches Können im Bereich Programmieren von Effekten oder dem Komponieren von elektronischer Musik. Und natürlich gehört eine fundierte Tanzausbildung ebenfalls dazu. Das kreative Zentrum der FLOWMOTION DANCE COMPANY liegt in Wien, die Truppe ist aber unterdessen mit mehr als 150 Vorstellungen auf drei Kontinenten sehr viel unterwegs. Alle sind auf ihrem „Terrain“ professionell ausgebildet. Ihre Vorführungen zeigen auch ihre Sorge um Umwelt und gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Kleiner Ausschnitt aus der Show BLACK OUT Youtube-Filme der Flowmotion Dance Company

Wer noch nicht genug hat: Bei der Talentshow DIE GRÖSSTEN SCHWEIZER TALENTE kann ebenfalls eine ähnliche Show gesehen werden. Lichtshow bei DIE GRÖSSTEN SCHWEIZER TALENTE

Abspann

Endlich ging das Licht wieder an. Erfreut nahmen die sechs Akteure und Akteurinnen wieder ihre Koffern an die Hand. Schliesslich war ja auch die Bahnschranke wieder aufgegangen, Strom sei Dank. Es gab einen herzlichen Abschied von Freunden, mit denen man eine unangenehme Situation gemeinsam gemeistert hatte.

 Doch das Publikum wollte die Truppe nicht einfach gehen lassen, spendete kräftig Applaus, sodass alle nochmals eine kleine Kostprobe ihres Könnens gaben, noch immer energiegeladen und mit humorvollem Einschlag. Die jungen Leute haben allen, die sich zwar gerne unterhalten lassen, aber dennoch die aufgeworfenen Themen weiter überlegen wollen, genügend Stoff geliefert. Und gerade die älteren Menschen im Publikum haben neue Welten erleben dürfen. Alles in allem: ein sehr bereichernder Abend!

Und das sind die Künstlerinnen und Künstler: (von links) Florian “Flow” Berger, Maria Gabler, Thomas Johansson, Katharina Steiner, Clarijana Cee und Thomas Leopold. Nicht vergessen werden sollen all die Leute im Hintergrund, ohne die ein solch hochtechnisches Programm gar nie durchgeführt werden könnte.