Schaffner-Schätze in der Bibliothek Uzwil

Schaffner-Schätze in der Bibliothek Uzwil

 Nun ist die Bibliothek um eine Attraktion reicher. Der Gemeinde Uzwil ist es nämlich vor ungefähr einem Jahr gelungen, die umfangreiche Sammlung des ehemaligen Papeteriebetreibers und Grosshändlers Hanspeter Schaffner zu erwerben – wie bereits damals in den Medien angekündigt. Bei der Suche nach einem geeigneten Ort für diese historischen Kostbarkeiten kamen die Behörden auf die Bibliothek. Schliesslich brauchte man zum Schreiben schon immer Schreibgeräte, auch wenn heute das Meiste auf dem PC verfasst wird. In seiner humorvollen Einführung erzählte Gemeindepräsident Lucas Keel von den Verhandlungen mit dem leidenschaftlichen Sammler. Bericht über Sammlung vom Dezember 2018 Wiler Zeitung über Schaffner-Sammlung

Erste Kontakte

Lucas Keel schilderte, wie er zum ersten Mal einen Stift in der Papeterie Schaffner erworben habe. Es sei ihm „in zähen Verhandlungen“ gelungen, den ursprünglich deutlich über 100.00 Franken liegenden Preis auf immer noch ansehnliche 80.00 Franken zu drücken. Dass der Stift noch heute zum Schreiben tauge, zeige allerdings, dass sich diese Investition aufgrund der hohen Qualität gelohnt habe. An diesem Stift sei sogar ein Massstab angebracht. Ein guter Massstab sei schliesslich auch im normalen Leben unverzichtbar, dies gelte ganz besonders für einen Gemeindepräsidenten…

Für die Gemeinde war Schaffner dem Vernehmen nach nicht immer der einfachste Bürger. Keel nannte ihn einen Charakterkopf, ein Original, wie es sie heute leider immer weniger gebe. Oft hätten sich Gemeinde und der Kaufmann denn auch aneinander gerieben. Er beschrieb Schaffner aber auch als politisch interessierten Bürger, der stets sehr gut informiert gewesen sei. Unterdessen wohnt der Mann in Kreuzlingen, was Keel trocken kommentierte: „Hoffentlich weiss der Mann nun, wie schön es in Uzwil (gewesen)ist.“

Pionier des Online-Handels

Angefangen hat Hanspeter Schaffner mit einem Papeterie-Versandhandel. Er führte unzählige Telefonate, um Kunden zu akquirieren, wagte sich als „kleiner Fisch“ an die grossen Firmen wie die POST, was Hartnäckigkeit bedingte. Aber auch die SWISSAIR oder die Basler Chemiefirmen brauchten damals TIPpEX, denn dies war damals sein grösster Verkaufsschlager. Einfach war der Anfang nicht, da er alles allein managte. Später betrieb er auch die Papeterie an der Bahnhofstrasse in Uzwil.

Der Computer kam erst im Laufe der Zeit als hilfreiche Unterstützung zum Zug. Den Grosshandel wird Schaffner auch in Zukunft weiter betreiben, jetzt einfach von Kreuzlingen aus. Doch dem Mann lagen offensichtlich immer auch die alten, dauerhaften und sparsamen Schreibgeräte und technischen Geräte früherer Zeiten am Herzen. Und so begann er vor vielen Jahren seine umfangreiche Sammlung anzulegen. Er funktionierte in seinem Haus an der Bahnhofstrasse drei Zimmer zu einem eigentlichen Museum um. Manches aus diesem Fundus ist heute kaum mehr käuflich, kann zum Glück nun aber in der Ausstellung weiterhin bestaunt werden.

Grosse Menge an Sammlerstücken

Dem Sammler war es vor allem wichtig, dass die umfangreiche Sammlung nicht in Einzelteilen veräussert werde. Für manche Stücke hätten bestimmt Liebhaberpreise erzielt werden können, aber der Wert der ganzen Sammlung wäre dadurch beträchtlich gesunken. 30 Bananenschachteln voll mit Material wurden im Gemeindehaus abgegeben. Die Gemeinde hatte mit Schaffner eine Summe ausgehandelt mit der Idee, dass dieser einfach so viele Gegenstände bringe, bis die Summe erreicht sei. Doch das genügte Schaffner nicht, er kaufte munter weitere Kostbarkeiten ein. Man musste ihn fast anflehen, nicht noch mehr Dinge zu bringen.

Soll die Ausstellung von aussen oder von innen präsentieren? Die Verantwortlichen haben sich für einen Kompromiss entschieden: Aussen und innen viel zu bestaunen.

Historische Aufarbeitung

Die Gemeinde zeigte Respekt für die sehr sorgfältig zusammengestellte Sammlung. Sie beauftragte deshalb den Historiker und Archivar Mario Gähwiler mit der Sichtung der Gegenstände. In der Bibliothek wurde nun erst einmal 5 % der ganzen Sammlung ausgestellt. Aus all den unzähligen Gegenständen – immerhin 30 Bananenschachteln voll – haben die Verantwortlichen 1100 Stücke inventarisiert und daraus 80 Stück ausgewählt, vermessen und sich dazu Informationen von Hanspeter Schaffner beschafft. Vom Luxusgerät – etwa teure Füllfederhalter – bis hin zum einfachen, unverwüstlichen Bleistift ist alles vorhanden.

Abenteuerliche Bleistiftspitzmaschinen sind da zu bestaunen, aber auch die farbenfrohen Neocolorschachteln. Wie war es doch früher ein Zeichen von Wohlstand, wenn man als Schulkind eine 30-er Schachtel Caran d’Ache zu Weihnachten bekam! Der Neid der andern Kinder war einem sicher. Marken wie UHU – „Im Falle eines Falles klebt Uhu wirklich alles!“ – oder Faber-Castell, aber eben auch Caran d’Ache haben für die ältere Generation noch immer einen sehr guten Klang.

Aus der Sicht des Historikers

Man spürte aus den Worten von Mario Gähwiler, der in seiner Schulzeit kaum mehr mit Schiefertafel und Griffel schreiben gelernt hat, ein grosses Interesse für diese kulturtechnischen Geräte. Er rühmte die Sammlung als „wertvoll, weil komplett“ , dazu komme der örtliche Bezug, sei doch die Sammlung in Uzwil entstanden. Diese zeigt die Veränderungen des Schreibens sehr deutlich. In der Mitte des letzten Jahrhunderts war beispielsweise das Schreiben mit Kugelschreiber noch absolutes Tabu, da die Lehrerschaft der Meinung war, ein solcher Stift „versaue“ die Schrift. Und auf schöne Schrift legte man damals eben noch sehr viel Wert.

Nürnberg war seit 1761 die Hochburg für die Bleistiftherstellung. Faber-Castell war Garant für funktionierende Schreibgeräte, die schweizerische Firma Caran d’Ache fiel mit ganz speziellen Werbebotschaften auf. Während des 2. Weltkrieges hiess ein Slogan dieser Firma: „Bleistift der Heimat.“ Wilhelm Tell mit Walterli war auf ihren Schachteln ebenfalls zu finden. SWISSAIR oder auch die Armbrust als Markenzeichen sollten der Kundschaft im Inland klarmachen, dass Einkaufen im Ausland der Schweiz schade. Es gab aber auch die Firma Staedtler, die bereits 1835 Bleistifte herstellte und heute um die 2’200 Mitarbeitende zählt. Geschichte des Hauses Faber-Castell Nürnberg – Hochburg der Bleistiftindustrie

Schauspieler Philipp Langenegger als Überraschungsgast

Dann trat als Überraschungsgast der Urnäscher Filmschauspieler und Kulturvermittler Philipp Langenegger unter dem Pseudonym Walter Zellweger auf. Viele kennen ihn aus Fernsehfilmen oder der Serie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“. In urchigem Appenzeller Hinterländer-Dialekt philosophierte er über Reichtum – “Reich wird man, weil man Dinge entbehren kann…” – und erzählte witzige Anekdoten, so die eines „Mannlis“, wie er sagte. Dieser sei mit einem Fuder Stroh, von einem Esel gezogen, über die Österreicher Grenze gegangen, habe dabei aber den Argwohn der Zöllner geweckt. Und so musste der Mann jedes Mal alles Stroh abladen, doch gefunden wurde nie etwas. Nach vielen Jahren meinte ein Bekannter: „Gell, gib es zu, du hast geschmuggelt damals. Nur was war es denn?“ Worauf das Mannli zur Antwort gab: „Esel, mein Lieber, Esel!“

Langenegger kam auch auf die Bibliothek zu sprechen. Mit der Ausstellung dieser wunderschönen alten Schreibgeräte und speziellen Maschinchen besinne man sich auf altbewährte Werte. Ein PC sei doch genau wie ein U-Boot. „Kaum macht man ein Fenster auf, beginnen die Probleme!“

Auch eine spannende Verwirrgeschichte – sie erinnerte fast ein wenig an Cabaretnummern von Walter Roderer – gab er zum Besten. Natürlich kommt es dumm heraus, wenn ein Mann seiner Frau von Südamerika aus schreibt, dabei aber die Adresse falsch in die E-Mail-Absenderzeile schreibt, sodass die Nachricht bei einer trauernden Witwe landet. Dass diese keine Freude daran hat, zu lesen, es sei „sehr heiss da unten“, versteht man gut, auch ihren Schrecken. Schliesslich denkt sie, die Nachricht komme von ihrem verstorbenen Gatten…

Langenegger verstand es auch, die Zuhörerschaft zu lustigen Fingerspielen zu animieren. So sah man Lucas Keel mit einem vergnügten Hanspeter Schaffner ein Klatschspiel machen, welches in grossem Gelächter endete.

Der Schauspieler forderte auch den Uzwiler Kulturvermittler Christoph Baer zu einem Klatschduell heraus, genauso wie Hanspeter Schaffner. Auch Simone Büchel und Gabriela Hilber vom Bibliotheksteam hatten Spass daran.

Philipp Langenegger ist mit neuen Geschichten vom „Chemifeger Bodemaa“ des Appenzeller Vorderländer Heimatdichters Jakob Hartmann unterwegs. E Hammpfle Originaal – mit Philipp Langenegger

Abschluss

Ein feiner Apéro und unzählige Gespräche über Schreibgeräte, aber auch Versuche, mit einem Gänsekiel ein einigermassen schönes Wort ohne „Tolggen“ schreiben zu können, rundeten den sehr gelungenen Anlass ab.

Gar nicht einfach, so ganz ohne “Tolggen” mit einem Gänsekiel zu schreiben.

Es lohnt sich, beim nächsten Besuch in der Bibliothek Uzwil aussen das schön gestaltete Schaufenster und innen die ausgestellten Gegenstände der Sammlung Schaffner eingehend anzuschauen. Alles wurde mit viel Liebe fürs Detail arrangiert.

Nächster Anlass in der Bibliothek: Freitag, 8. November um 19:00 Uhr „Der Witz, eine unterschätzte literarische Gattung“ mit Hanspeter Müller-Drossart und dem in Uzwil bereits mehrmals gehörten Journalisten Urs Heinz Aerni. Anmeldung über 071/951 41 70 oder online bibliothek@uzwil.ch