My Fair Lady – mit einer «Brisa del Mar» – im Gemeindesaal Uzwil

My Fair Lady – mit einer «Brisa del Mar» – im Gemeindesaal Uzwil

26. September 2025 Aus Von Annelies Seelhofer-Brunner

Das Akkordeon-Orchester Uzwil gibt es bereits seit 90 Jahren, also genau die richtige Zeit, um wieder einmal so richtig zu feiern. Und das tat das Orchester denn auch, lud dazu seine Fangemeinde und alle Freunde gepflegter Akkordeonmusik mit eine sorgfältig gestalteten Programm-Broschüre dazu ein.

Verwurzelung im Orchester

Wer die Dauer der Engagements einzelner Personen für das Orchester nachliest, staunt ziemlich. So leitete beispielsweise Fritz Felix – Vater des legendären Fernsehmanns Kurt Felix – das Ensemble von 1939 – 1978, also 39 Jahre lang, muss also schon sehr früh damit angefangen haben. Auch Peter Stricker, der jetzige Dirigent, führt das Orchester bereits seit 1998. Und offenbar gefällt es ihm – und den Spielerinnen und Spielern – bis heute, denn das Konzert zeigte eine grosse Vertrautheit zwischen Dirigent und Orchester. Und auch der jetzige Vereinspräsident kann möglicherweise 2027 ein Jubiläum feiern, amtet er doch ebenfalls bereits seit 1987 als Vorsitzender. Diese Konstanz prägt einen Verein. Ungefähr 80 Passivmitglieder unterstützen den Club nicht nur finanziell, sondern besuchen auch dessen Konzerte.

Vereinsgeschichte

Auf dem Tisch lagen Sets mit Protokollauszügen aus 90 Jahren und dem Konzert-Programm vom 3. November 1935. Damals schrieb man unter das Programm: «Man bittet um möglichste Ruhe während den Vorträgen».

Bei manchen Anlässen müsste man das auch heute fett hinschreiben, denn es ist gar nicht mehr selbstverständlich, seit sich viele an die ständige Berieselung in vielen Läden und Lokalen gewöhnt haben. Doch das Uzwiler Publikum von heute wusste, was sich gehört und lauschte still und aufmerksam allen Vorträgen. Für internen Gebrauch wurde das Konzert auch aufgenommen.

Präsident Armin Poffet begrüsste mit sichtlicher Freude ehemalige Mitspielerinnen und Mitspieler, Passivmitglieder und auch Vertreter der Behörden. Er freue sich sehr auf das Konzert und hoffe, dieses gefalle auch dem Publikum. Der reservierte Tisch für Behördenmitglieder blieb allerdings ziemlich leer. Es ist eben gerade im September meist auch sonst viel los in der Region. Doch Gemeindepräsident Lucas Keel war anwesend – und richtete seinerseits einige Worte an die Versammlung. Es brauche Dankbarkeit dafür, dass sich eine Gemeinschaft während so langer Zeit immer wieder erneuern dürfe. Und er wünschte dem Orchester weiterhin gutes Gedeihen.

Peter Stricker

Peter Stricker ist nicht nur ein ausgezeichneter Orchesterdirigent, er arrangiert auch viele Stücke, hat dafür sogar eine kleine Firma namens Edition Stricker gegründet. Er begann bereits mit fünf Jahren Akkordeon zu spielen.

Im Orchester gab es früher mit Urs Baldegger einen Mitspieler, welcher ebenfalls so früh damit begann und deshalb mit 26 Jahren bereits zu dessen Ehrenmitglied ernannt wurde. Von 1981 – 1986 war Baldegger ausserdem Präsident des Orchesters. Sein Vater Albert war 1979 gar zum Ehrenpräsidenten ernannt worden.

Virtuose Musik

Mit dem Marsch «Sonnenfunken» begann die Reise durch den Abend. Peter Stricker gab zu jedem der Stücke eine kleine Einleitung, eine Beschreibung der Herkunft oder wies auf den Charakter des Stücks hin. Funken nannte man früher die Stadtsoldaten – noch immer im rheinischen Karneval zu sehen – , und auch die Mariechen, Begleiterinnen der Soldaten in früherer Zeit scheinen darin auf, daher der Name «Funkenmariechen» oder eben «Sonnenfunken». Doch KI meint: «Musikalische Sonnenfunken deuten auf Bilder von Licht, Wärme und Lebendigkeit hin, eine aufmunternde Stimmung.» Und diesem Anspruch wurde das Konzert denn auch gleich mit dem Auftaktstück gerecht.

 «A Night Like This» – dieser eingängige Hit von 2009, gesungen von Caro Esmerald, ursprünglich als Werbemusik für den Drink «Martini» komponiert, wurde bestimmt von vielen gleich nach den ersten paar Takten erkannt. Das Schlagzeug erzeugte hier genau den richtigen Groove, Spielerinnen und Spieler spielten mit viel Spielfreude, klar und präzise geleitet von Peter Stricker. Wer sich irgendwann wunderte, warum nach fast jedem Stück die Plätze getauscht wurden, erhielt auch dazu eine Erklärung. Damit alle auch immer mal eine Melodiestimme spielen könnten, werde dafür ein Wechsel in der Sitzordnung vorgenommen. Immer nur für «tatata» zuständig zu ist ja bestimmt weniger interessant.

Bach als Inspiration

Im Programm stand als nächstes: «Taste of Leipzig», was man mit «Vorgeschmack auf Leipzig» oder «So tickt Leipzig» übersetzen könnte. Peter Stricker hat ein sehr langsames Stück des grossen Meisters Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) – Adagio, BWV 974 – für das Orchester arrangiert und damit gezeigt, dass auch das Akkordeon für diese Art Musik bestens geeignet ist. Früher fand man ja, dass eine «Handorgel» bei geistlicher Musik nichts verloren habe.. Stricker merkte an, dass kein ernsthafter Musiker an diesem Komponistengiganten vorbeikomme.

Schlagzeuger Adrian Schilling musste sich hier zügeln, war nur sehr dezent zu hören.

Während des Konzerts sah man ihn eigentlich nie, hörte einfach sein unterstützendes Spiel.

«Dies Bildnis ist bezaubernd schön»

Nein, diesmal nicht von Mozart, sondern eine Komposition des russischen Komponisten Alexander Nikolajewitsch Tschereprin – allein dieser Name ist schon Musik! – schuf mit La Princesse Lointaine ein Prélude zu einem Theaterstück von Edmond Rostand aus dem Jahr 1895, in welchem sich ein junger Troubadour unsterblich, aber völlig hoffnungslos in das Bildnis einer auf einer fernen Insel lebenden Prinzessin verliebt, ohne sie je getroffen zu haben. Obwohl damals Photoshop noch kein Thema war, konnte doch schon zu jener Zeit ein Porträtmaler ein Gesicht etwas aufhübschen – und damit möglicherweise zu Frust beim persönlichen Kennenlernen führen… In diesem speziellen Stück, auch dies arrangiert von Stricker, liefen ganz verschieden Melodien nebeneinanderher. Es enthielt nicht nur heitere Töne.

Hits der 60er-Jahre

Darauf begann ein wahres Feuerwerk an Hits, die ebenfalls von Peter Stricker arrangiert worden waren. Die Mimi gehe nie ohne Krimi ins Bett, meinte Bill Ramsey. Im Stadtpark gingen dagegen die Laternen aus – gesungen von Gitte Haenning und Rex Gildo  – und Lady Sunshine konnte einfach Mister Moon nie treffen, wie Conny Froboess verriet. Da wippten Füsse, sangen manche bestimmt innerlich mit.

Auf nach Südamerika!

Nach der Pause wehte eine Brise Meeresluft und südamerikanisches Flair durch den Gemeindesaal. Das Ensemble Brisa del Mar stand nun auf der Bühne, auch hier mit Peter Stricker als Bandleader. Er hat für das Quartett ein eigenes Stück geschrieben und dann beim Umsetzen festgestellt, dass er nun beileibe sogar selbst wieder üben müsse. Die Spielfreude der vier Solisten war unübersehbar und sehr ansteckend. Besonders Natan Garcia, der Mann am Bass, hatte fast immer ein Lachen auf den Lippen. Die Musik ging in die Füsse, schade, dass man dazu nicht tanzen konnte. Das Akkordeon eignet sich ausgesprochen gut für Tangomusik, was Stricker gehörfällig bewies. Da flitzten die Fingern nur so über die Tasten, der Bass gab den besonderen Tangorhythmus dazu. Es lohnt sich, das breitgefächerte Repertoire von «Brisa del Mar» nachzulesen. Das vielseitige, sehr virtuose Intermezzo wurde mit grossem Jubel verdankt. Zu jedem Titel war als Blickfang zudem ein passendes Bild an eine Wandseite des Saales projiziert worden.

Und weiter ging es…

Doch noch war das Konzert nicht zu Ende. Die ruhigen Weiber in der Waschküche hantierten nun an ihren Waschzubern, was den unvergesslichen Kasi Geisser in diesem bekannten Walzer wieder aufleben liess. Dieses Stück gehört vermutlich ins Repertoire jedes «Handörgelers». Und ein Summer Samba liess daran denken, dass der Sommer hierzulande für dieses Jahr vermutlich bald Vergangenheit sei. Als Höhepunkt des Abends spielte das Orchester bekannte Melodien aus dem wunderbaren Musical MY FAIR LADY, durch die bezaubernde Audrey Hebpurn, zusammen mit Rex Harrison unsterblich gemacht. Da hätten viele im Saal bestimmt mitsingen können, wenigstens bei den Refrains. Zu vorgerückter Stunde ging der Jubiläumsabend zu Ende, vom dankbaren Publikum mit kräftigem Applaus verdankt. Das Orchester hatte damit einen wahren Kraftakt geleistet.

Man hilft sich gegenseitig

In der Küche waren Männer aus dem Männerchor Frohsinn aus Oberuzwil am Werk, richteten Gerichte aus der kleinen Speisekarte und halfen auch sonst, wo sie gefragt waren. Mitglieder des Orchesters brachten das Essen, denn es ist heute bei vielen Vereinsanlässen so, dass man vor Programmbeginn und in der Pause etwas unter die Zähne bekommen kann. Das Angebot wurde denn auch an diesem Konzert sehr geschätzt.