„Hello Kafi“ in der Bibliothek Uzwil

19. Februar 2019 Aus Von Annelies Seelhofer-Brunner

Seit November 2015 treffen sich jeden Dienstagnachmittag und Donnerstagmorgen Menschen unterschiedlichen Alters und unterschiedlichster Herkunft zu einem Gedankenaustausch in einem etwas versteckten Teil der Bibliothek Uzwil. Ins Leben gerufen hat diesen Treffpunkt die Integrationsbeauftragte der Gemeinde Uzwil, Ellen Glatzl-Anaman, zusammen mit Gemeinderat Daniel Wyder. Die Beiden wollten damit Menschen zusammenbringen, die sich sonst vielleicht nie begegnen würden. Das Angebot ist niederschwellig, es kostet höchstens einen Kaffee oder einen Tee, bringt aber viel Abwechslung ins Leben der Gäste.

Hochdeutsch ist Pflicht

Es kommen vor allem Frauen ins „Hello Kafi“, welche gerne Kontakt zu Einheimischen bekommen und gleichzeitig ihre Sprachkenntnisse erweitern möchten. Gefragt sind darum Schweizer Gesprächspartner und –partnerinnen, die offen für andere Kulturkreise sind und die gerne ihre eigenen Erfahrungen ins Gespräch einbringen. Am hier beschriebenen Dienstagnachmittag im Februar 2019 treffen die Kafi-Besucherinnen und Besucher anfangs allerdings sehr spärlich ein. Das sei oft so, wird der Journalistin beschieden, man könne eben kommen und gehen, wie und wann man wolle. Erfreulicherweise erweitert sich der Kreis doch noch erheblich, so dass schliesslich acht Frauen und zwei Männer mitdiskutieren. Die Männer sowie zwei Frauen aus der Runde stammen aus Uzwil und Umgebung.

Struktur und Ablauf

Ein wenig Struktur braucht so ein Nachmittag schon. So wird an jedem Treffen jemand aus dem Kreise der Migrantinnen als „Tagesmutter“ bestimmt. Diesmal ist es eine Frau aus dem Kosovo, welche aber schon sehr lange in der Schweiz lebt und sichtlich bestrebt ist, ihr Deutsch noch mehr zu verbessern. Ihre Kinder gehen hier zur Schule, für diese ist es viel leichter. Die Frau versucht nun, in Absprache mit den Anwesenden, ein Gesprächsthema zu finden. Das ist gar nicht so einfach. Schliesslich wird „Reisen“ vorgeschlagen.


Diesmal hatte diese Frau die Nachmittagsleitung inne.

Kosovo, sehr schönes Reiseland

Aus dem Kosovo sind drei Frauen anwesend. Sie schwärmen von der wunderbaren, unberührten Natur vieler Landstriche in ihrem Herkunftsland. Die beste Reisezeit ist laut diesen Kennerinnen der Frühling und der Frühsommer, später werde alles braun, da es im Sommer sehr heiss werde. Da eine der Frauen grad an diesem Tag Geburtstag hat, wird ihr natürlich auch ein Geburtstagslied gesungen. Es beginnt mit dem mittlerweile „eingebürgerten“ Lied „Happy Birthday“, also erst auf Englisch, dann auf Deutsch und schliesslich auf Albanisch „Shume vrime për ty“. Alle singen bis zum albanischen Teil begeistert mit, die letzte Strophe singen die drei Albanisch sprechenden Frauen allein vor. Die Sprache tönt sehr schön und melodiös. Die Runde erfährt hier auch, wie unkompliziert und selbstverständlich das gegenseitige Kinderhüten sein kann, wenn sich Schwägerinnen gut verstehen. Als Dank stellt die Frau eine Schachtel zartschmelzender Schokolade auf den Tisch, auch dies eine schöne Geste.

Alle sangen der Frau links ein Ständchen zum Geburtstag.

Auch andere Länder Gesprächsthema

Eine Portugiesin erzählt von ihrem Heimatland. Auch dort gebe es wunderbare Ferienorte. Vom Reisen gerät unterdessen das Thema auf ein Nebengeleise und kommt bei der Betreuung von alten Menschen an. Das scheint in südlichen Ländern zunehmend zu einem Sorgenthema zu werden, lösen sich doch die familiären Strukturen besonders in städtischen Gebieten gerade vielerorts in atemberaubendem Tempo auf. Auch Korea und dessen Aufstieg vom armen Entwicklungsland zu einem der grossen wirtschaftlichen Mitspieler auf dem Weltmarkt kommt zur Sprache. Dies hat einer der Männer bei seinen vielen Reisen für den Arbeitgeber Bühler Uzwil AG beobachtet. Vom Lockruf des Wohlstandes angezogen, strömen dort viele Menschen in die Stadt. Dort ist aber alles teurer, die Wohnungen sind kleiner, deshalb ist für alte Eltern da kein Platz mehr. Die Versorgung und Unterstützung von betagten Eltern bei Krankheiten oder grosser Gebrechlichkeit werden zu einem grossen Problem.

Ganz ohne Geld geht die Chose nicht…

Unterdessen ist auch Initiantin Ellen Glatzl eingetroffen, hat aber diesmal leider nur wenig Zeit. Und doch bringt ihre Anwesenheit im Nu neuen Schwung in die Diskussion. Sie erzählt, dass der Kanton für das Hello Kafi-Projekt eine Anschubfinanzierung gesprochen habe. Den Kuchen spendiert normalerweise die Gemeinde, aber ein wenig Geld braucht es doch, denn für die ehrenamtlich mitwirkenden Frauen werden immerhin Spesen ausbezahlt, so für das Busbillett oder andere kleine Auslagen.

Eine junge Frau aus Eritrea hat köstlich nach Vanille duftende Guetzli mitgebracht. An der Kaffeemaschine macht sich gleich mehr als eine Gesprächsteilnehmerin zu schaffen und serviert Kaffee oder Tee, ganz nach Wunsch. Auch das Kässeli für das Getränk wird gespeist. Bei interessiertem, fröhlichem Geplauder nähert sich der Nachmittag dem Ende. Schon am nächsten Donnerstagmorgen kann der Gesprächsfaden wieder aufgenommen werden, vielleicht ein neues Thema die Runde beschäftigen.

Alle sind eingeladen, sich auf Neues einzulassen

Das „Hello Kafi“ ist ein Begegnungsort, der vom Austausch zwischen Menschen aus dem Ausland und der einheimischen Bevölkerung lebt. Jedermann ist dazu herzlich eingeladen. Vorbildung braucht es keine, einzig Offenheit und Wertschätzung für andere Kulturen, aber auch Freude an der eigenen Sprache. Denn die Erweiterung der Deutschkenntnisse ist schliesslich ein weiteres Ziel dieser Nachmittage.

PS: Seit 2016 bietet Ellen Glatzl im Gemeindehaus auch einen Erstkontakt für Menschen an, die aus dem Ausland nach Uzwil ziehen. Diese positiv wahrgenommene Begrüssungskultur öffnet viele Türen auf unkomplizierte Art. So müssen viele Konflikte gar nicht erst entstehen, weil bereits ein wertschätzendes Klima vorbereitet wurde.