Erst nach der vierten Zugabe war Schluss…

4. Juni 2017 Aus Von Annelies Seelhofer-Brunner

Konzert der a capella-Band STIMMBAND in der evangelischen Kirche Oberuzwil

Die Donnerstagsgesellschaft Oberuzwil bietet immer wieder ganz besondere Anlässe an. Mit dem Engagement des „Laienchors StimmBand“, wie sie sich selber anpreisen, hat sie den Geschmack des Publikums zu hundert Prozent getroffen. Die souveränen und musikalisch professionell vorgetragenen Ohrwürmer wurden so heftig beklatscht, dass den Sängerinnen und Sängern nichts Anderes übrigblieb, als am Schluss vier – vier! – Zugaben zu geben, womit sie ihr begeistertes Publikum vollends beglückten.

A-capella-Gesang

Die menschliche Stimme ist ein ganz besonderes Kommunikationswerkzeug. Sie eignet sich aber auch hervorragend zum Singen. Dazu braucht es keinerlei technische Unterstützung, einzig Freude am Klang und die Fähigkeit, aufeinander zu hören. Da braucht es für das Publikum keine Ohrstöpsel, denn die Lautstärke bleibt immer im Angenehmen. Und die Anforderungen an einen Raum sind einzig akustischer Natur. Die Oberuzwiler Grubenmannkirche eignet sich ganz besonders gut für solche Konzerte. Ihr Innenraum wird dabei zum Resonanzboden für jeden noch so leisen Ton.

Ehret einheimisches Schaffen…

Oft heisst es ja: „Der Prophet gilt nichts im eignen Vaterland“. Doch bei StimmBand gibt es gleich zwei einheimische Bezüge. Tom Hofstetter ist der Verbindungsmann zwischen dem Chor und der Öffentlichkeit, dabei auch stimmsicherer Mitsänger und hie und da Bass-Solist. Im Konzert war auch ein Lied namens „Pearls Before Swine“ zu hören, bei welchem der Musiker Roman Bislin-Wild und Tom Hofstetter als Bearbeiter auf dem Programm stehen. „Pearls Before Swine“ oder kurz PBS “ ist ein Bandname, so heisst aber auch ein Comic-Serie in Amerika und andern Ländenr. Der Name entstand in Anlehnung an den biblischen Aufruf, “keine Perlen vor die Säue“ zu werfen. (Matthäus 7, Vers 6)

Ausnützung des Raums

Mit HALLELUJA von Leonard Cohen begann das Konzert, aber nicht einfach ganz gewöhnlich als Chor im Chorraum vorne, sondern recht unerwartet von der Empore herunter, während der pianistischer Begleiter und Mitsänger Michael Roffler vorne am E-Piano sass. Doch die Kommunikation über die Augen klappte sehr gut. Auch das zweite Lied – „That Lucky Old Sun“ – wurde „unterwegs“ dargeboten, im Mittelgang, wobei die Sängerinnen und Sänger sich langsam und ruhig immer mehr nach vorne verschoben. Auch danach verteilten sich die Frauen und Männer je nach Lied im ganzen Raum, traten als Halbkreis zusammen oder in einer Kleinformation auf. Das gab sehr viel Abwechslung für die Zuhörerschaft.

Grosse Namen auf dem Programm

Der Kanadier Leonard Cohen, im vergangenen November mit 82 Jahren leider verstorben, hat mit HALLELUJA einen Welthit geschrieben. Auch MANHATTAN TRANSFER hat noch immer einen guten Namen. Und die ROUTE 66 ist vielen, vor allem aber den Töfffahrern, ein Begriff. Phil Collings steht auf dem Programm, hier mit TRASHING THE CAMP. Wer hier einen klugen Text erwartet, wird enttäuscht, denn der Song besteht vor allem aus rhythmischen Silbenfetzen. Aber auch der Ohrwurm FOR THE LONGEST TIME von Billy Joel gehört zu den unvergesslichen Evergreens.

Rhythmus

Bei StimmBand gehören auch Fingerschnippen, in die Hände klatschen, Stampfen, auf die Arme oder auf andere Körperstellen zu klopfen zur „ musikalischen Ausstattung“. Immer wieder gab es witzige Arrangements mit diesen Geräuschtypen. Beim Lied I’LL THINK OF YOU des jungen Amerikaners Kurt Hugo Schneider – ehemaliges Schachwunderkind und mit deutschsprachigen Wurzeln – begann ein lustiges Zweierklatschspiel, welches auf hiesigen Pausenplätzen noch heute etwas grössere Mädchen mit allergrösster Ausdauer spielen. Dort heisst es einfach „Schoko, Schokolade…“. Das Wichtigste dabei ist selbstverständlich, dabei nicht aus dem Takt zu fallen. Das Lied strömte sehr viel Lebensfreude aus, auch die Schuhabsätze kamen zum Einsatz, alles vibrierte – Lebensfreude pur!

Lebensbejahende Texte

Die Irischen Reisesegen sind weltberühmt. Es gibt für alle Lebenslagen solche. MAY THE ROAD RISE TO MEET YOU gehört sicher zu den schönsten und tiefsinnigsten dieser Art. Die Gesangsgruppe sang dieses Lied zart, innig und zu Herzen gehend. Es gibt in diesem WErk recht heikle Tongefüge, die von allen Mitwirkenden absolute Sicherheit verlangen. Erschwerend kam hier noch hinzu, dass alle im Kirchenraum verteilt sangen. Auch YOU RISE ME UP enthält eine tröstliche Botschaft. Und in den Zugaben kam dieser Anspruch nochmals ganz besonders mit dem berührenden Aufruf zum selbstbestimmten Leben im Lied GABRIELLAS SÅNG aus dem wunderbaren Film „As It Is In Heaven“ zum Zug.

Schmachtfetzen

Ja, auch solche gab es zu hören. GIRLS, GIRLS, GIRLS von Georg Kajanus geschrieben und mit seiner Band SAILOR zu einem Welthit geworden, lockte die singenden Herren von StimmBand aus dem Busch. Schmachtend schielten sie auf die „Girls“. Das dürfen Herren eben auch dann, wenn ihr jugendlicher Übermut schon etwas Patina angesetzt hat. Was in den Sechzigerjahren die jungen südländischen Bauarbeiter von vielen Baustellen herunter riefen – „Ciao bella“ – wurde damals mit Pfiffen unterstrichen. Auch im StimmBand-Konzert waren solche zu hören. Und auch die Tanzschritte waren äusserst gekonnt und synchron…

Einfühlsamer Pianist

Michael Roffler begleitete nebst HALLELUJA auch SING, SING, SING, dazu ROUTE 66, dazu THE BOY FROM NEW YORK CITY und den Ohrwurm YOU RISE ME UP, immer präsent, den Kolleginnen und Kollegen im Chor gute Unterstützung bietend. Er ging mit seiner Begleitung oft ganz eigene Wege, erweiterte damit das Klangspektrum und sorgte für den nötigen „Drive“. Und doch blieb er damit immer der Begleiter und drängte sich nicht auf. Dazwischen stellte er sich in die Reihen des Chors, hatte da auch einmal einen eigenen Solopart.

Kraftvoller, präsenter Dirigent

Es war eine Freude, dem Dirigenten bei seiner Arbeit zuzusehen. Mit freundlichem, zugewandtem Gesicht und ausgreifenden, kraftvollen Armbewegungen zeigte er auch optisch, worum es in den einzelnen LiedeRN ging. Bei YOU RISE ME UP gestaltete Dirigent Rolf Engler den Schluss ganz besonders eindringlich. Und nur dank seiner grossen Präsenz und ausstrahlenden Autorität klatschte das total begeisterte Publikum nicht in die fast gefährlich lange Pause vor dem endgültigen Schluss. Ihm war die Freude an der Musik, aber auch an seinen Sängerinnen und Sängern selbst von hinten in jeder Sekunde anzumerken.

Zugaben ohne Ende…

 Es war schon von Anfang an klar, dass die vierzehn auf dem Programm aufgeführten Stücke der Zuhörerschaft nicht genügen würden. Aber dass sich der Chor gleich viermal dazu bereiterklären würde, war dann doch nicht selbstverständlich. Es begann mit dem unterdessen zum Repertoire fast jeden guten Chors gehörenden GABRIELLAS Sång. Das Lied wurde von einer Solistin so verinnerlicht – und ausserdem in der Originalsprache Schwedisch – gesungen, dass man als Zuhörerin aufpassen musste, nicht in Tränen auszubrechen.

Ein irländisch anmutendes Stück kam danach zum Zug. Doch noch immer war nicht genug. Nun tönte es WAU, WAU, lautmalerisch und gediegen. Unterdessen wurden allen Mitwirkenden Blumen verteilt. Danach fragte der Dirigent: „Wollt ihr noch eins?“ Klar, dass dies mit stürmischem Klatschen beantwortet wurde. Mit einem besinnlichen Abendlied, auch dies in englischer Sprache, zog sich der Chor danach langsam zurück.

Das Konzert wird bestimmt allen, die in der Kirche zuhörten, in allerbester Erinnerung bleiben.