Annemarie Wildeisen zu Besuch in der Gemeindebibliothek Uzwil

Annemarie Wildeisen zu Besuch in der Gemeindebibliothek Uzwil

31. August 2023 Aus Von Annelies Seelhofer-Brunner

Das Bibliotheks-Team lud während der Woche vom 22. – 26. August praktisch jeden Tag zu einem Spezialanlass ein. Dabei wurden alle Generationen berücksichtigt. Am Dienstagabend war die bekannte Kochbuchautorin Annemarie Wildeisen zu Gast. Sie lockte eine grosse Anzahl Interessierter in die Bibliothek. Bibliotheksleiterin Jolanda Erismann drückte in ihren Begrüssungsworten ihre Freude über das grosse Interesse aus. Doch erst gratulierte noch eine Vertreterin der Gemeinde zu diesem «Viertel-Jahrhundert-Jubiläum».

Gedanken zum Wert einer Bibliothek

Die Uzwiler Gemeinderätin Seraina Bär hat 2021 im Rat die Themen Kultur, Freizeit und Sport als Schwerpunkte übernommen. In ihren Gratulationsworten zum «Firmenjubiläum» warf sie die ketzerische Frage auf, warum es denn im digitalen Zeitalter noch Bücher brauche. Doch sie gab die Antwort grad selbst: Eine Bibliothek ist ein «Denkraum», für alle Generationen und alle Bevölkerungsschichten eine Inspirationsquelle, oft gar ein Zufluchtsort. Schliesslich lässt sich in Büchern früheres Denken, Fühlen und Verarbeiten von schwierigen Lebenssituationen finden. Auch das Abtauchen in Fantasiewelten ist möglich, was die riesige Auswahl an Literatur in diesem Genre beweist. Und was wären Krimifans ohne eine Bibliothek? Bibliothek Uzwil

Gemeinderätin Seraina Bär dankte dem Bibliotheks-Team unter Leitung von Jolanda Erismann herzlich für dessen so wichtige Arbeit. Dieses biete nicht einfach nur ein «Sammelsurium» an Büchern und Medien an, sondern führe die Bibliothek äusserst gezielt nach den Wünschen seiner Kundschaft, aber auch nach eigenen Lesebedürfnissen.

Was macht die Faszination eines Buches aus?

Wer gerne liest, weiss es: Ein Buch in die Hand nehmen und in einer stillen Ecke in ein völlig anderes Leben abtauchen, mal vorwärts blättern, dann wieder zurückgehen, vielleicht mal schnell einen versteckten Blick auf das Ende der Geschichte werfen und dabei keinerlei technische Hilfsmittel brauchen: all dies bietet ein Buch. Ein Buch bietet für fast alle Sinne etwas. Man kann es spüren, seinen Duft aufnehmen, seine Gestaltung bewundern, seinen Inhalt geniessen. Gut 20’000 Medien – darunter auch fremdsprachige Bücher, wichtige Filme auf DVD oder Hörbücher – kann man in der Bibliothek ausleihen. Das fünfköpfige Bibliotheks-Team ist ständig bemüht, neue literarische Perlen, spannende Kinderbücher oder interessante Filme in ihren Ausleihfundus zu nehmen. Da bleiben keine Wünsche offen. Bibliothek Uzwil digital

Ein Abend mit Annemarie Wildeisen

Alle Stühle waren an diesem heissen Abend besetzt, auch die Seitenbänkli. Nebst unzähligen Frauen hatten sich auch ein paar Männer eingefunden. Schliesslich weiss «Mann» ja nie, ob an einem solchen Anlass nicht ein Spezialtrick erfahren werden kann, der beim nächsten Grillabend oder Familienessen so richtig zur Geltung kommen könnte. Aber: Nein, gekocht wurde nicht in der Bibliothek! Es gab auch keine neuen Rezepte zum Mitnehmen. Vielmehr erzählte die erfahrene Kochbuchautorin und leidenschaftliche Esserin Annemarie Wildeisen aus ihrem Alltag als Rezepte-Erfinderin.

Ein Zusammenspiel vieler Kompetenzen

Bis ein neues Rezept in einem Kochbuch nachgelesen werden kann, dauert es – so weiss man nach diesem Abend – doch eine ziemliche Weile. Erst stellte auch die Kochautorin die Frage in den Raum: «Warum ein Kochbuch? Reicht ein digitales Rezept nicht?» Ein Kochbuch ist allerdings nicht mit einem Roman zu vergleichen. Bei einem Kochbuch steht ein ganzes Team hinter einem solchen Werk. Unglaublich, wie viele verschiedene Menschen da mitarbeiten!

Sorgfältiges Erproben der Rezepte

Das Rezept macht zwar den Anfang. Dieses wird erst mehrfach gekocht, gekostet und bei Bedarf abgeändert, verfeinert oder vielleicht sogar neu zusammengestellt. Laut Wildeisen werden vor Erscheinen eines neuen Kochbuchs an vier Tagen pro Woche jeden Tag 15 Rezepte nachgekocht. Da herrscht in ihrer Profi-Küche bestimmt ein ziemliches Gewusel. Man könnte auch meinen, da vergehe einem der Appetit. Doch die Profifrau versicherte mehr als einmal, dass sie weiterhin sehr gerne esse.

Das absolute «Geschmacksorgan»

Was für eine Musikerin das absolute Musikgehör, das ist für eine Rezepterfinderin der Geschmackssinn. Dabei kommen zusätzlich noch Auge und Nase zum Zug. Es ist wesentlich, dass eine Kochbuchautorin sich den Geschmack schon innerlich vorstellen kann, bevor sie auch nur eine Zutat in die Hände genommen hat. Das sei wie bei einem guten Parfümeur oder einer Weinkennerin: Ein gutes Geschmacksgedächtnis sei unerlässlich. Dabei nimmt sie, wenn immer möglich, nur unverfälschte Grundzutaten ohne künstliche Zusatzstoffe. Inspiration bietet dazu ein Gang über den Markt, ein Blick in den Kühlschrank, ein irgendwo gegessenes Gericht… Zutaten – Kochwissen – Annemarie Wildeisen

Das Motto von Annemarie Wildeisen lautet: «Wer lesen kann, kann auch kochen!» Die Rezepte müssen deshalb Schritt für Schritt beschrieben werden. Beim Testkochen wird denn auch immer nachgeprüft, ob ein Rezept auch von einer unerfahrenen Person nachgekocht werden könne.

Food-Stylistin

Steht das Gericht schliesslich zur Zufriedenheit des Teams bereit, kommt die Food-Stylistin zum Zug. Diese sucht das passende Geschirr für genau dieses Gericht aus dem schier unerschöpflichen Fundus hervor, richtet das Gekochte verführerisch her und stellt das Ganze in ein schönes Ambiente. Das fängt schon beim Untergrund an. Material? Farbe? Beschaffenheit? Die Bildsprache muss festgelegt werden. Es kann manchmal eine rechte «Gfätterlete» werden, verriet die Kochkünstlerin.

Annemarie Wildeisen hat das Glück, eine Tochter als solche Fachfrau zur Seite zu haben. Für diesen Beruf, für den es keine eigentliche Ausbildung gibt, ist ein gutes Auge und künstlerisches Flair von grossem Vorteil. Schliesslich soll das Bild der angesprochenen Kundschaft das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Es ist aber bestimmt ein grosser Vorteil, wenn man vorgängig eine Lehre als Koch oder Bäckerin/Confiseurin gemacht hat. Eigentlich habe sie überhaupt keine Freude gehabt, als ihre Tochter sich in diesen Bereich wagte, verriet Wildeisen. Die Tochter hätte beispielsweise auch gut Grafikerin werden können. Doch nun sei sie damit glücklich, denn die Zusammenarbeit klappe vorzüglich.

Und dann ins rechte Licht stellen!

Ein Food-Fotograf hat die Aufgabe, dieses bereitgestellte Gericht nun ins richtige Licht zu stellen. Was früher eine Mammutaufgabe war, hat sich heute dank digitaler Technik vereinfacht. Früher musste alles manuell eingestellt werden. Das «Equipment» war schwer und raumgreifend. Das Resultat konnte auch noch im Entwicklerbad verfälscht werden. Alles in allem war es ein riesiger Aufwand. Doch es ist beileibe nicht so, dass es heute ein Kinderspiel wäre. Es braucht Geduld und Können, das richtige Licht und einen guten Sinn für den passenden Effekt eines Bildes, damit die Arbeit der Food-Stylistin nicht umsonst war.

So darf der Schatten nicht von der falschen Seite auf das Objekt fallen, denn da «streikt» dann das Auge, wie die Autorin anfügte. Oft werden Fotos auch im Freien gemacht. Aber selbst da braucht es noch Kunstlicht. Annemarie Wildeisen hat das Glück, auch aus diesem Bereich einen langjährigen Mitarbeiter im Team zu haben.

Bis ein Kochbuch entsteht…

Annemarie Wildeisen lud zu einer innerlichen Reise durch die Vorbereitungen ein. Sie hat schon immer viele Rezepte abgelegt, ein halbes Jahr vor einem neuen Buch das Thema überlegt. Es gibt noch Rezepte von ihrer Mutter. Da wird immer wieder abgeändert, probiert, aussortiert oder an neue Essgewohnheiten angepasst. Und steht dann ein Bild endlich, ist vielleicht der Text zu lang. Es muss gekürzt werden. Doch das ist heikel. Nichts Wichtiges darf ausgelassen werden. Da muss halt mal das Bild etwas kleiner werden…

Gut gefüllte «Requisiten-Kiste»

In ihrer Profiküche gibt es unzähliges Geschirr in allen Farben und Formen, oft auf Flohmärkten gefunden. Nur schon die Bändeli in allen Variationen oder die Weihnachtskugeln nehmen viel Platz ein. Denn ist mal eine Idee für einen Bildaufbau geboren, wäre es mehr als nur lästig, wenn man erst noch nach dem passenden Geschirr, Besteck oder auch Untergrund suchen müsste.

Andere Länder, andere Sitten

Wer hie und da in einem fremdländischen Kochbuch stöbert, entdeckt gerade im Bezug auf die Bildsprache grosse Unterschiede. Laut Wildeisen sind die Engländer Vorreiter in der Food-Fotografie, quasi das Mass aller Dinge. Je nach Kultur eines Landes sind die Seh- und Essgewohnheiten anders. So ist das Verhältnis zwischen Salz-Pfeffer und Säure fast von Land zu Land verschieden. Weil das so individuell ist, schlägt die Buchautorin vor, eher etwas neutraler zu würzen, dafür Salz und Gewürze auf den Tisch zu stellen. So kann sich jedermann den für sich passenden Geschmack selbst einrichten. Dasselbe gilt für das Süssen von Gerichten.

Fragerunde

«Gehen Ihnen die Ideen für neue Rezepte denn nie aus?», wollte jemand wissen. «Nein, denn dann müsste ich sofort aufhören». Sie habe schon als Kind grosses Interesse am Geschehen in der Küche gehabt, oft der Mutter beim Kochen geholfen und so allerlei Kniffe gelernt. Ihre Mutter habe sie auch eigene Erfahrungen machen lassen. Ein Weihnachtsmenü sei allerdings im Sommer etwas schwieriger zu kreieren als im Winter, aber da solche Rezepte eben einen ziemlichen Vorlauf brauchten, könne man mit neuen Kreationen nicht bis dahin warten. Man könne sich aber auch immer wieder inspirieren lassen, gerade auch durch Filme, in denen das Essen eine grosse Rolle spiele. Und da gibt es nicht wenige…

Beim nächsten Griff zu einem Kochbuch kommt einem hoffentlich der grosse Aufwand in den Sinn, der hinter einem solchen Werk steht.

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