Neuer Rückenwind für das Gemeindeschiff

Neuer Rückenwind für das Gemeindeschiff

28. Februar 2024 Aus Von Annelies Seelhofer-Brunner

Zum Beitragsbild: Hans Peter Hug hat sich für das Präsidium der Vorsteherschaft gemeldet, hier im Gespräch mit Elisabeth Bircher, einer ehemaligen Kirchenpräsidentin.

Viele Aufrufe zur Mitarbeit in der Kirchenbehörde der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Oberuzwil-Jonschwil blieben lange unerhört. Die letzten zwei Jahre hatte deshalb Paul Baumann als Kurator der Kantonalkirche SG, den Vorsitz bei den Sitzungen übernehmen müssen, da die Behörde sonst nicht beschlussfähig gewesen wäre. Am Neujahrsgottesdienst erklärte dann auch noch Roger Lindenmann, aktueller Präsident, seinen Rücktritt auf die nächste Kirchbürgerversammlung im kommenden März 2024. Nicht gerade eine einfache Situation für alle Verantwortlichen! Es wurde deshalb beschlossen, nach dem Gottesdienst vom 25.Februar 2024 eine Art «Vorgemeinde» zu veranstalten, verbunden mit einem feinen Apéro. Dieser Einladung folgten sehr viele Mitglieder der Kirchgemeinde.

Abschluss der Predigtreihe

Im Gottesdienst schloss Pfarrer René Schärer seine anfangs Jahr begonnene Predigtreihe «Die dunkle Seite Gottes» ab. Diesmal ging es um das Gebot von Jesus, die «Toten ihre Toten» begraben zu lassen. Lisa Alder las vor der Predigt den dazu passenden, für heutige Menschen eher unverständlichen Text aus Lukas 9, Verse 57-62.

Was auf den ersten Moment im besten Fall als «unsensibel» taxiert werden könnte, wurde im Laufe der Predigt besser verständlich. Für uns ist klar, dass wir von unseren Verstorbenen Abschied nehmen möchten. Als Jesus wirkte, war die politische Lage klar: Die Römer hatten das Sagen, verfolgten alle dieser christlichen Lehre nachlebenden Menschen. Da konnte es vorkommen, dass man von einer Sekunde auf die andere alles hinter sich lassen und fliehen musste. Sicherheit gab es nicht. Dafür war das Loslassen von materiellen Dingen damals vermutlich einfacher als heute.

Einsatz mit Leidenschaft und Herzblut

Aber auch in unserer Zeit gab und gibt es immer wieder Menschen, die wegen ihrem Einsatz für Menschenwürde, Gleichberechtigung und Einstehen für den Glauben ihr Leben lassen mussten. Martin Luther King ist bis heute für seinen Kampf gegen die unsäglichen Rassengesetze in den USA unvergessen. Ein paar Tage vor Ende des verlorenen Zweiten Weltkrieges liess Hitler den Theologen Dietrich Bonhoeffer in einer entwürdigenden Art auf dem Galgen umbringen. Das letzte Beispiel für einen Menschen, der für sich und seine Landsleute das Recht auf Redefreiheit forderte, diese aber in einem totalitären Staat keinesfalls bekommen konnte, ist der Jurist und Kämpfer für Menschenrechte Alexej Nawalny, der in einem von Moskau weit entfernten Straflager in Sibirien auf mysteriöse Weise ums Leben kam.

Albert Schweitzer, der berühmte Urwalddoktor von Lambarene, prägte den Satz, der Mensch solle «mit dem Herzen denken.» Die Zuwendung zu den Mitmenschen hält auch heute die Gesellschaft zusammen. Dazu kann auch die Kirche beitragen.

Rock my Soul

Musikalisch stand der Gottesdienst unter dem Titel «Rock my Soul». Die Seele sollte «bewegt» werden. Diesmal spielte Pfarrer René Schärer nicht E-Bass-Gitarre, wie er das sonst in solchen Gottesdiensten häufig tut. Bereits mit dem ersten Lied «You are my daily bread» – deutsch: «Du bist mein tägliches Brot» – kamen Ann-Britt Alder-Wullschleger und Christian Schneebeli diesem Anspruch auf sehr schöne Weise nach. Besonders emotional wurde es, als Christian Schneebeli dazu die zweite Stimme sang. Statt eines Piano-Zwischenspiel sang Ann-Britt Alder – natürlich begleitet von Christian Schneebeli – «Irgendwas bleibt» der deutschen Band «Silbermond». Darin wird um «ein kleines bisschen Sicherheit» gebeten «in dieser schnellen Zeit». Silbermond ist eine sächsische Pop-Rock-Band aus Bautzen, die 1998 gegründet wurde.

Am Schluss bekam die Gemeinde mit Gott segne dich einen gesungenen Segen – samt Refrain-Duett – mit auf den Weg. Als Dank für all die berührende Musik gab es einen tosenden Applaus.

Berührender Gesang mit Duett-Refrain von Ann-Britt Alder und Christian Schneebeli

Auslegeordnung

Im zweiten Teil folgten Informationen zum weiteren Geschick der Kirchgemeinde . Im Kirchgemeindehaus warteten bereits Kurator Paul Baumann und Angestellte der Kirchgemeinde an verschiedenen Ständen mit Vorschlägen auf. Diese zeigten auf, wie es nach dem Rücktritt von Kivo-Präsident Roger Lindenmann und unterbesetzter Vorsteherschaft mit dem «Kirchenschiff» der evangelischen Kirchgemeinde Oberuzwil-Jonschwil weitergehen solle. Eine grosse Anzahl Interessierter folgte dieser Einladung. Aufgestellte Flip-Charts standen mit bereits ausgefüllten Vorschlägen bereit. Auf einigen konnte man da mit roten Punkten seine Vorlieben kundtun. Allerdings haben vermutlich nicht alle Anwesenden diesen Teil der Angebote beachtet, denn es waren nur wenige rote Punkte auszumachen. Jugendarbeiterin Seraina Marmet stellte an ihrem Tisch die zahlreichen Angebote für Kinder und Jugendliche vor. Auch hier: An Angeboten fehlt es nicht!

Aufbruch mit neuen Einsatzwilligen

Dieser Titel stimmt nicht ganz. Denn es haben sich auch Persönlichkeiten gemeldet, welche bereits einmal einen mehr oder weniger langen Einsatz in der Kirchgemeinde geleistet haben. Lisa Alder-Kuhn war lange Jahre Kirchenpräsidentin, bevor sie auf die neue Amtsperiode 2022 ihren Rücktritt gab. Nun will sie ein Jahr lang erneut mithelfen, das Kirchenschiff wieder in Fahrt zu bringen. Auch Roland Bischof – bereits jetzt dabei – war früher in der Behörde tätig. Dazu haben sich Erika Weiss – aktuell in der GPK -, Corina Deamoli und Hanspeter Hug für eine Mitarbeit entschlossen, letzterer als Kandidat für das Präsidium. Der junge Riggenschwiler Ernst Krapf arbeitet bereits jetzt mit. Da Erika Weiss in der GPK war, braucht es für sie dort einen Ersatz. Noch-Kurator Paul Baumann schlug vor, doch nach Möglichkeit auch noch ein, zwei Personen mehr in die Vorsteherschaft zu wählen, sofern solche gefunden werden könnten. Das würde den Druck im Hinblick auf die nächsten Jahre etwas mindern.

Neues Verständnis der Organisation

Sozialdiakon Kurt Pauli stellte an seinem Stand die Bewegung «fresh expression schweiz» (neue Ausdrucksformen) vor. Es wird immer wichtiger, dass die Kirche dorthin geht, wo sich die Menschen bewegen. Hier im Gespräch mit Hans Peter Hug, dem Kandidaten für das Präsidium.

Wie überall hat auch in Oberuzwil der Kirchenbesuch nachgelassen, seit CORONA besonders spürbar. Mit einer neuen Denkweise können auch Menschen angesprochen werden, denen der traditionelle Zugang zur Kirche fehlt. Der Glaube ist nicht an ein Gebäude gebunden. Allerdings ist für viele Menschen gerade der sakrale Raum in einem Gottesdienst wichtig. Manchmal muss Altes über den Haufen geworfen werden, damit Neues entstehen kann. Dass man dabei vorsichtig zu Werke gehen muss, ist allen Beteiligten klar.

Andernorts gibt es ebenfalls solche neuen Angebote. So bietet der evangelische Pfarrer Samuel Hug, in Bichwil aufgewachsen, beispielsweise im Bernbiet unter dem Namen Metal Church Gottesdienste mit Metal-Musik an. Im Regionaljournal Bern Freiburg Wallis wurde dieses Konzept 2018 näher vorgestellt.

Wer sich für die vielfältigen Angebote der evangelischen Kirchgemeinde Oberuzwil-Jonschwil interessiert, findet auf deren leserfreundlich gestalteten Webseite erschöpfende Auskunft.

Christian Schneebeli ist seit 25 Jahre Organist in Teilzeit in der evangelischen Kirchgemeinde Oberuzwil. Dazu ein Interview mit dem versierten Tastenkünstler. «Ich möchte mit meiner Musik die Herzen der Zuhörerschaft berühren.»