«Hab keine Angst, fürchte dich nicht!»
Der ökumenische Chilbi-Gottesdienst im Zelt auf der Wiesentalstrasse hat sich unterdessen eingebürgert. Nach dem nassen und stürmischen Chilbi-Samstag versprach der Tag doch etwas freundlicher zu werden. Eine ansehnliche Anzahl Personen aus beiden Kirchgemeinden folgte der Einladung. Das Thema hiess: «Das glaubst du ja selbst nicht». Die beiden Seelsorger René Schärer von der evangelischen und Paul Hoch von der katholischen Seite hatten sich zu diesem Thema vorgängig viele Gedanken gemacht.
Einstieg mit «unnützem Wissen»
Es gibt tatsächlich viele Meldungen, die man auch gut weglassen könnte, die aber doch irgendwie interessieren. Auch wenn man nicht weiss, wie viele Koffer jedes Jahr auf den Flughäfen der Welt verloren gehen, kann man gut leben. Etwas mehr beeindruckt dann schon die Meldung, dass man auf Spitzbergen niemanden beerdigen könne, da der Boden ja ständig gefroren sei. Die Konsequenz daraus? Auf Spitzbergen ist Sterben verboten! Wirklich? Und wie schwer ist denn eine Wolke? Wer hat die schon je gewogen? Und doch gibt es genaue Berechnungen über Schönwetter- oder Gewitterwolken. Auch die Natur bietet unglaubliche Zusammenhänge. Bäume kommunizieren miteinander, warnen einander vor Fressfeinden mittels spezieller Duftstoffe. Sie sind durch riesige unterirdische Pilzgeflechte miteinander verbunden. Das zeigt doch, wie wunderbar die Welt gestaltet ist. Man kann diese Erkenntnisse zwar kaum glauben, aber sie sind bewiesen. Aber wie steht es mit dem Glauben? Dieser lässt sich nicht einfach so beweisen, beruht auf Vertrauen und Hoffnung, dass die heutige Welt trotz der unsicheren Lage dennoch zu retten ist.
Ist Glauben einfach ein naives Gefühl?
Was gibt uns Menschen Hoffnung, dass all die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte – Demokratie, Wissenschaft, Rechtsstaat, Wirtschaft, Gleichberechtigung – nicht plötzlich verschwinden? Ist es nicht eher naiv, zu denken, das komme schon gut? Am Beispiel eines Textes aus dem Hebräerbrief – Übersetzung «Hoffnung für alle» – zeigten die beiden Seelsorger anhand von Abraham auf, dass es immer Menschen gegeben hat, die wider alle Vernunft einem inneren Ruf gefolgt sind, Mensch bleiben wollten auch in grausamen Zeiten, wie das Dietrich Bonhoeffer oder Sophie Scholl und unzählige andere vorlebten. Abraham hatte Gottes Ruf gehört, das angestammte Land zu verlassen und an einem völlig unbekannten Ort neu Fuss zu fassen, zusammen mit seiner ganzen Familie. Er erlebte die Verheissung nicht mehr selbst, wohl aber seine Nachfahren.
Heute will man vor lauter Sicherheitsdenken und Statistiken sich oft nicht mehr auf den Glauben verlassen. Abraham hatte sich jedoch voller Vertrauen auf seine innere Stimme, seine Intuition verlassen, auch als Bauchgefühl bekannt. In der Bibel steht mehr als 100 x «Fürchte dich nicht, hab keine Angst! Mach dir keine Sorgen, sondern vertrau einfach». Die beiden Seelsorger getrauten sich gar, bei den Anwesenden nachzufragen, ob jemand von ihnen schon einmal seiner Intuition gefolgt sei. Und für wen dies ein Segen gewesen sei… Einzelne Hände gingen hoch, sehr zur Freude der zwei Männer.
Duo Christian Schneebeli-Ann-Britt Alder-Wullschleger
Die Anwesenden kamen in den Genuss mehrere tiefsinniger Lieder, die von Ann-Britt Alder gesungen und von Christian Schneebeli auf dem Keyboard gekonnt begleitet wurden. Die Solistin verlieh diesen Liedern eine Innigkeit, man spürte, dass ihr die Texte etwas bedeuten. Das war beim Lied «Seite an Seite» der österreichischen Sängerin Christina Stürmer, aber besonders auch beim Schlusslied «Fly With Me» – Flieg mit mir – aus dem wunderbaren schwedischen Film «Wie im Himmel», auch unter dem Namen «Lenas Song» bekannt – der Fall. Hier sang Christian Schneebeli jeweils den Refrain mit, was dem Lied eine neue Klangfarbe und zusätzliche Innerlichkeit verlieh. Aber auch die Gemeinde bekam Gelegenheit zum Singen. In allen Liedern klang der Aufruf an, mit Hoffnung durch die Welt zu gehen, zu vertrauen und sich nicht zu fürchten.



Fürbitten
Im Augenblick gibt es wahrlich genug Themen, die man in den Fürbitten vor Gott bringen kann. Für Menschen, die ob all der Not in ihrer Heimat Glauben und Hoffnung verloren haben. Man wünscht ihnen Stärke und Hilfe. Aber auch die Menschen in unserem Land, ja in der eigenen Gemeinde brauchen Inspiration, ein warmes Herz, damit Spuren der Nächstenliebe sichtbar werden dürfen. Mit dem Ruf «Kumbaya, my Lord» wurden die einzelnen Fürbitten jeweils abgeschlossen. Das gemeinsam gesprochene Gebet «Unser Vater/Vater unser» führte zu den Mitteilungen und dem Segen. Die Kollekte war für die «Markthalle Uzwil» bestimmt, eine gemeinnützige Einrichtung, die Menschen mit schmalem Budget Nahrungsmittel abgibt. Es braucht dafür aber einen amtlichen Ausweis.
Gemeinsam essen
Irgendwann – mitten im Gottesdienst – strömte der Duft von «Ghackets und Hörnli» durch das Zelt, denn nach dem Gottesdienst konnte man da essen. Das Wolfgang-Team war für die Zubereitung der Speisen auf der Karte zuständig, der Frauenverein für den Service. Das klappte – auch dank neuer Technik per Smartphone – ausgezeichnet, man hatte manchmal gar das Gefühl, das Essen komme schon fast, bevor man überhaupt bestellt habe…

Konzert von Marcel Bürgi

Um zwei Uhr nachmittags gab der Uzwiler Jugendarbeiter und Musiker Marcel Bürgi ein Konzert, welchem aufmerksam gelauscht wurde.
Von aussen hörte man etwas Chilbibetrieb, im Zeltinnern Lieder aus dem Erlebnisschatz des Sängers, aber auch Peter Räber-Lieder oder solche von anderen Berner Liedermacher-Grössen. Wer seine Biografie nachliest, staunt über sein Vermögen, in seinen Liedern Hoffnung und Glauben trotz allem Erlebten und Erlittenen zu verkünden. Das passte perfekt zum Gottesdienst-Thema am Morgen. René Schärer begleitete den Musiker an der Gitarre oder auch einmal am Cachon. Der Zuhörerschaft gefielen die Lieder, es gab warmen Applaus.
Zum Chilbi-Geschehen allgemein gibt es hier mehr Informationen.