
«Esprit-Quartett» begeisterte an der Sommerserenade in Oberuzwil

Gemeinderätin Kathrin Germann-Alder begrüsste zum ersten Mal in ihrer Funktion als Präsidentin der Kulturkommission das interessierte Publikum und versprach einen Hörgenuss. Als die Einladung zur Serenade an die Oberuzwiler Bevölkerung in der Tagespresse stand, war der Name dieses Ensembles bestimmt noch nur den wenigsten geläufig. Mit dem dargebotenen Konzert hat es sich jedoch bestimmt eine neue Fangruppe erschlossen.
Dieser Anlass – 2004 von Hansjürg Näf ins Leben gerufen – gehört unterdessen zum festen Bestandteil der Jahresplanung von Gemeinde und Musikfans aus allen Teilen des Dorfes Oberuzwil. Wie in den letzten Jahren üblich, besserte sich das Wetter genau auf diesen Anlass hin, war die lange Regenperiode bereits wieder etwas vergessen. Da muss jemand einen ganz besonderen Draht zu den Wettermachern haben…



Hochklassiges Ensemble
Wenn man die Werdegänge der vier auftretenden Künstlerinnen und Künstler nachliest, fällt auf, dass alle in ihrer Karriere immer wieder begehrte Auszeichnungen bekommen haben. Im Oberuzwiler Mitteilungsblatt vom 17. Juli 2025 stand unter der Einladung zum Konzert der sinnige Ausspruch: «Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist.» Das Esprit-Quartett bewies im Laufe des Abends, wie sehr Musik zu berühren vermag. Trotz Wolken am Wirtschaftshimmel, Kriegen auf der Welt, trotz Zukunftsängsten da und dort. Musik hat eine heilende Wirkung, wenn sie gut gespielt wird. Und da hat die Musikkommission der Gemeinde in all den vergangenen Jahren immer ein sehr gutes Händchen gehabt.
Die Auftretenden in Oberuzwil
Wer die Webseite des Quartetts öffnet, stellt schnell fest: «Da waren aber doch nur zwei aus dem Quartett am Oberuzwiler Konzert dabei!» Und hat damit vollkommen Recht! Wie in Künstlerkreisen üblich, hilft man sich eben gegenseitig aus. Viele Solisten und Solistinnen spielen in verschiedenen Ensembles in oft unterschiedlicher Ausrichtung mit, jedoch immer mit hohem Anspruch an die musikalische Qualität.




Auch etwas fürs Auge
Nicht nur die Musik verzückte, nein, auch die Kleidung der Vier. Die beiden Frauen traten in bodenlangen Chiffonkleidern in zarten Farben auf – lachsfarbig, mit aquarellartigen Blumenkaskaden auf den Seiten bedruckt –, dazu blitzten hie und da ihre Pumps in passender Farbgebung hervor. Die Männer trugen ihrerseits ganz klassisch einen schwarzen Anzug, mit einer farblich passenden Krawatte zu den Kleidern ihrer Quartett-Kolleginnen.

Vorstellung der Künstlerinnen und Künstler
Rachel Stukalenko, erste Violine, Mitglied des Esprit-Quartetts, wuchs in Marseille auf und genoss eine breitgefächerte Ausbildung. Sie schloss ihre Studien 2012 mit dem «Master of Arts» als «Spezialisierte Solistin» an der Hochschule für Musik in der Stadt Basel mit Auszeichnung ab. Am Oberuzwiler Auftritt war sie neben ihrem energiegeladenen Geigenspiel auch als Mittlerin zwischen der Esprit-Musik und dem Publikum tätig – dies mit einem charmanten französischen Akzent in ihrem Hochdeutsch. Am Schluss wagte sie sich gar an ein paar Dialekt-Ansagen. Stolz erzählte sie ganz beiläufig, dass sie nun auch Schweizerin sei.
Die Geigenvirtuosin lernte 2009 ausserdem Pilates, diese sanfte Trainingsmethode für das Körperkorsett und dessen Einfluss auf das Körperbewusstsein kennen. Unterdessen ist sie nebst ihrer musikalischen Tätigkeit auch als Pilates-Trainerin tätig. Sie ist sich sicher, dass sich dies in jeder Hinsicht positiv auf ihr Geigenspiel auswirkt, sowohl körperlich wie auch mental.
Die zweite Geige spielte Rustem Monasypov. Dieser wuchs in einer Musikerfamilie in Kasan -, fünftgrösste russische Stadt – auf. Bereits mit 5 Jahren bekam er seine erste Geige. An der ZHdK – Zürcher Hochschule der Künste – erwarb er das Solistendiplom als «Master of Arts in Specialized Music Performance Solist». Schon während seiner Studienzeit gewann er zahlreiche Preise bei internationalen Musikwettbewerben. Er spielt heute in verschiedenen Ensembles mit, so beispielsweise – zusammen mit Rachel Stukalenko – im 1945 gegründeten Zürcher Kammerorchester, welches seit Langem einen ausgezeichneten Ruf hat.
Rachel Stukalenko strich zudem Monasypovs besonderes Talent hervor, exklusive Arrangements für musikalische Werke zu kreieren, die nur bei speziellen Auftritten gehört werden können. Über diese oft überraschende Kunst staunte das Oberuzwiler Publikum denn auch an der diesjährigen Serenade immer wieder.
Xiao Bürgi-Ma, Bratsche, hatte in ihrem Herkunftsland China bereits im Alter von 5 Jahren Violinunterricht bekommen und später zur Bratsche gewechselt. In China begann sie auch ihr Musikstudium. Später studierte sie an der ZHfK bis zum Konzertdiplom, dies mit Auszeichnung. Danach erwarb sie sich nach sieben Semestern an der Musikhochschule Luzern das Solistendiplom, auch hier mit Auszeichnung. Auch diese Künstlerin hat bereits viele Preise gewonnen. Sie spielt in ganz unterschiedlichen Emsembles mit.
Ganz wichtig ist der Künstlerin die musikalische Bildung von Kindern. An der Musikschule der Region Dübendorf bietet Xiao Bürgi-Ma auch musikalische Früherziehung für Kindern zwischen 3 und 6 Jahren an, dies immer begleitet von einer Bezugsperson der Schützlinge. Sie engagiert sich an dieser Schule auch – zusammen mit Kursleiterinnen für DaZ – Deutsch als Zweitsprache – mit einem neuen Angebot für einen kreativen Spracherwerb. Dabei werden auch die Eltern mit einbezogen. Ein weites Feld, um mit Musik sowohl den Intellekt wie auch Herz und Seele anzusprechen.
Marcis Kuplais, Cello, aus Riga, Lettland stammend, spielt ein historisches Cello aus dem Jahre 1870, welches von der weltweit bekannten Confiserie Teuscher aus Dübendorf gesponsert wird. Rachel Stukalenko hob in der Vorstellung dieses Künstlers dessen unglaubliche Energie hervor, die in jedem Bogenstrich zu spüren sei. Damit hatte sie keineswegs zu viel versprochen.
Auch dieser Musiker begann seine Karriere schon sehr früh. Bereits mit 7 Jahren trat er konzertant auf. Als Solist spielte er schon überall auf der Welt, ist 22facher Preisträger bei Kammermusik- und Solisten-Wettbewerben und wirkt in verschiedenen Orchestern als absolut verlässlicher Cellist mit. Sein Repertoire ist breitgefächert.
Überraschende Arrangements
Das Ensemble hatte keine Programmblätter abgegeben, sondern das Publikum zu Beginn erst einmal mit einem bekannten Stück überrascht. Aus den «Vier Jahreszeiten» von Antonio Vivaldi (1678-1741), erklang erst «Frühling», danach «Winter». Man hörte eine Geige schnarren, ein nächstes Mal erklang ein Pizzicato, das Cello machte den «Groove», was Stukalenko schon im Vorfeld versprochen hatte. Zu Beginn bekam man als Zuhörerin fast etwas Angst um die Saiten, derart kraftvoll strichen alle Vier den Bogen darüber. Doch diese hielten auch den energischsten Bogenstrich bis zum Schluss aus.
Man lauschte den bekannten Klängen, die aber doch irgendwie verwandelt zu sein schienen. Kein Wunder, schliesslich hatte sie Rustem Monasypov speziell auf das Quartett – und damit auf eine viel kleinere Besetzung als üblich – zugeschnitten arrangiert. Auf allen Instrumenten steckten Mikrofone, die von auf der hinter den Publikumsplätzen stehenden Musikanlage von Robin Lauener vom Verein GLATT Events sehr einfühlsam gesteuert wurde. Die Noten waren mit kleinen Klämmerchen befestigt, denn wie leicht kann ein energisch geführter Bogen auch mal die Blätter streifen…
Vielfältige, berührende Musik
Das Programm enthielt auch sehr meditative Teile, so etwa Méditation aus der Oper Thaïs des französischen Spätromantikers Jules Massenet (1842-1912). Die Melodie hörte sich irgendwie bekannt an, bekam aber durch das Arrangement von Rustem Monasypov einen ganz eigenen Klang. Die Interpretation des Quartetts berührte bis ins Innerste, besonders auch der ganz spezielle Schluss. Mozarts kleine Nachtmusik wurde leichtfüssig und dennoch kraftvoll, zudem eher schnell dargeboten, man vermisste gar kein Orchester, derart vielfältig waren die Harmonien. Eine Augenweide war es, den Musizierenden zuzusehen. Allen war die Freude an ihrer Musik ins Gesicht geschrieben. Besonders die Bogenführung des Cellisten fiel auf, die oft gegenläufige Melodienführung , welche eigene Akzente setzen durfte. Mozart hätte bestimmt seine helle Freude an dieser Interpretation seines Werks gehabt.
Eine Reise in die Pop-Welt
Nach der Pause kamen Hits von Elvis Presley, Frank Sinatra und auch Ray Charles und als Zugabe Louis Armstrong zu Ehren. So gefühlvoll hat man vermutlich «Can’t Help Falling In Love with you» noch kaum je gehört, jeder Ton ausgespielt, mit feinsten Pianissimo, schmelzenden Geigentönen und klar erkennbarer Melodie. Rachel Stukalenko rief dazu auf, sich doch getrauen, zu tanzen zu diesen Klängen. Doch die faszinierte Zuhörerschaft ignorierte diese Aufforderung. Man wollte keinen Ton verpassen. «Hit The Road Jack» von Ray Charles elektrisierte gleich mit dem ersten Takt. Hier war die ganze Wut einer Frau herauszuhören, die ihren Typen ins Pfefferland wünscht, was zu einer spontanen Klatschunterstützung aus dem Publikum führte. Beim Sinatra-Titel «New York» musste man schon genau hinhören, um das bekannte Leitmotiv zu erkennen. Und leicht und tänzerisch wurde es zum Schluss mit «Fly Me To The Moon», ebenfalls von Sinatra, hier mit einem sehr überraschenden Ende. Tosender Applaus war der Lohn für eineinhalb Stunden Musikgenuss, Träumen und Schwelgen in Tönen und Farben. Als Zugabe spielten die Vier «What A Wonderful World» des unvergesslichen Louis Armstrong. So zärtlich hatte das Ensemble seine Instrumente den ganzen Abend lang nicht erklingen lassen, es war die passende Hymne zum Herunterfahren nach all den vielen Hörgenüssen.
Abendstimmung
Es ist jedes Jahr wieder eine Freude, die Abenddämmerung so hautnah zu erleben. Der Himmel verblasst, die Baumsilhouetten tauchen in Dämmerlicht, die Lämpchen für die Musizierenden werden entzündet. Und im Hintergrund sah – und hörte man dumpf – Personen, die Pingpong spielen oder vorbeispazierten und zeigten, dass seit der Sanierung des Sägeweihers vermehrt ums Gelände spaziert wird.


Apéro
Keine Serenade zum Ferienende ohne stärkenden Apéro, serviert und ausgeteilt durch Mitglieder der Kulturkommission und oft auch deren Partner oder Partnerinnen. Da konnte man sich über das Gehörte austauschen, neue Bekanntschaften schliessen oder einfach nur die feinen Brötli und Getränke geniessen, bis es zum zweiten Teil auf der bereits eingedämmerten Bühne weiterging. Auch dies gehört zum festen Bestandteil des Oberuzwiler Kulturlebens.

Nach dem Dank von Kathrin Germann-Alder an die Musizierenden sowie an das begeisterte Publikum durften alle eine ebenfalls schon traditionell in Milchtansen bereitgestellte Sonnenblume mit nach Hause nehmen, dies als Erinnerung an einen ganz besonderen musikalischen Ohrenschmaus.


Und hier ein paar Einblicke in Serenaden-Auftritte nach Corona…
Serenade 2021 bei perfektem Sommerwetter
Stimmgewalt an der „Serenade zu Ferienende“ 2022