Einer war doch schlauer

15. April 2019 Aus Von Annelies Seelhofer-Brunner

sAls Verdingbub erlebte ich verschiedene Jagdepisoden, da mein Meister ein erfolgreicher Jäger war. Meist ward ich jedoch nicht inne, was ihm jeweils wieder geglückt war, da er sich mir gegenüber ausschwieg, obwohl mich seine Jagden brennend interessierten. Jedoch wenn sich irgendwo Füchse in ihren Bau verzogen hatten – wo man sie nach Einschliessen mit Kastenfallen fangen oder ausgraben konnte, durfte ich mithelfen.

Einmal konnte er aus dem gleichen Bau fünf solcher Räuber fangen. Am fünften Tag nach dem Einschliessen bequemte sich die Mutter der Familie endlich dazu, in die Falle zu gehen. Der schöne Schwanz jedoch war weg, ausgerissen von den verbleibenden Angehörigen und vertilgt. Die vier andern Tiere gingen darauf schnell nacheinander ebenfalls in die Falle, alles Prachtstiere, doch die Mutter ohne Schwanz. Man kann sich denken, was so eine gutgenährte Fuchsfamilie nur schon während EINES Sommers zusammenreisst.

An einem Novemberabend nun holte mich der Meister wieder einmal ins Böschentobel, wo sich ein Füchslein in eine Felsspalte verkrochen hatte. Ausgerüstet mit Schaufel, Pickel, Sturmlaterne und Seil langten wir beim Zunachten bei dem provisorisch verrammelten Einschlupf an. Der Meister versuchte nun das von aussen sichtbare Tier mit einem stumpfen Haken aus seinem Schlupfwinkel zu ziehen, was jedoch wegen der dieser Tiergattung eigenen Hartnäckigkeit nicht gelang. Nun wurde ich schmächtiges Büebli ausersehen, den Jagdhund zu spielen. Einen Hund konnte man eben nicht brauchen, weil dieser nur von hinten an das Tier herangekommen wäre, dann aber wäre höchstens das Fell zerfetzt worden.

Ich musste nun in die Felsspalte schlüpfen, ein offenes Seilende in der Hand, um das Füchslein an den Hinterläufen zu binden, während der Meister es mit eine Stange so in Schach hielt, dass es mir nicht das Gefräss zuwenden konnte. Nachdem mir das gelungen war, war ich froh, wieder zurückkriechen zu können, denn schon der Geruch in unmittelbarer Nähe von Füchsen ist nicht sehr angenehm – und ein bisschen Angst war auch dabei.

Nun zog der Meister am Seil und beförderte das Tier hinaus ins Freie, wo es dank dem harten Haselknüppel bald eine Leiche sein sollte. Alsbald waidgerecht gebunden, durfte ich die Beute heimtragen, die ich dann wie gewohnt im Waidstall aufhängte.

Als am andern Morgen die Mutter des Meisters dort die Rinder besorgen wollte, sprach das besagte Tier durch die offene Türe an ihr vorbei in die Freiheit. Der Meister liess ihm die Chance, sich zu retten.

Ernst Brunner – aus der Verdingbubenzeit von 1920 – 1929, aus dem Gedächtnis aufgeschrieben nach 1980